Der Divisonskommandeur von Lychow ist wie ein Vater zu seiner Truppe. Die Regelungen, die der Oberkommandierende Ober Ost, Schlieffenzahn (steht für Ludendorff) getroffen hat, hält er für falsch, seine Umgebung auch.
Warum unterschreibt er das Todesurteil und legt sich ruhig schlafen?
Arnold Zweig versteht es, von Lychow - wie Fontanes Stechlin - als einen grundgütigen Menschen erscheinen zu lassen, der sein Schicksal mit gutem Humor zu tragen weiß, jedem das Seine und auch sich selbst mal etwas Gutes gönnt. Der Leser begleitet ihn voller Sympathie. Auch jetzt in den Schlaf.
Eben hat er ein Todesurteil unterschrieben.
Nun ja, nur der unbedarfte Leser wird ihn ganz ohne Hintergedanken in den Schlaf begleiten.*
Zwar ist er außer dem Titelhelden bisher die Identifikationsfigur, die sich am leichtesten anbietet, aber er hat eben gesagt:
"[...] Ich bin ein preußischer General und tue, was meine Pflicht ist. Nicht blindlings, denn wir Junker haben Augen im Kopf und sehen den Dingen auf die Leber, aber wat sien möt, möt sien. Der Mann mag bedauernswert in seiner Falle sitzen. Wir haben die größeren Dinge zu bedenken: Manneszucht, Preußen, Reich."
Zwar sagt er das nur, weil ihm als Alternative Befehlsverweigerung, Kampf mit dem Vorgesetzten, Umsturz des Systems vorgestellt worden ist, und deshalb gehört ihm unreflektiert die Sympathie.
Dann freilich folgt der Satz: "Was kommt es da auf einen Ruski mehr oder weniger an?"
Da läuten denn doch die Alarmglocken. Auch wenn bei der gegenwärtigen Nachrichtenlage in Deutschland alle Opfer mehr zählen als die russischen Opfer der Angriffe der ukrainischen Regierungstruppen beim Kampf gegen die Separatisten in der Ostukraine, (Wer will schon Putinversteher sein?)
"Was kommt es auf einen Menschen mehr oder weniger an?" Zu sehr widerspricht das der geläufigen Formel "Jeder ist einer zu viel, aber ..."
Arnold Zweig wird dafür sorgen, dass von Lychow umdenkt. Und zumindest die Krimileser, werden das bei "Was kommt es da auf einen Ruski mehr oder weniger an?" voraussehen.
Arnold Zweig: Der Streit um den Sergeanten Grischa
*Kenner der klassischen Literatur wird jedes Todesurteil, das in einem literarischen Text unterschrieben werden soll, an das Wort Camillo Rotas aus Emilia Galotti erinnern "Recht gern! Recht gern! – Es geht mir durch die Seele dieses gräßliche Recht gern!" (Emila Galotti I,8)
Ein Sohn seiner Zeit
vor 1 Tag
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