In der Wikipedia heißt es über Pücklers zweite Englandreise:
1822 wurde Pückler in den Fürstenstand erhoben. 1826 kam es pro forma zur Scheidung von Lucie, mit der er dessen ungeachtet lebenslang freundschaftlich zusammen blieb. Der verschuldete Park- und Gartengestalter wollte nach England reisen, um erneut reich zu heiraten. Auf der Suche nach einer vermögenden Erbin verbrachte Pückler zwischen 1825 und 1829 viele Monate dort. Seite „Hermann von Pückler-Muskau“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. Juni 2014, 18:16 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hermann_von_P%C3%BCckler-Muskau&oldid=131358522 (Abgerufen: 12. August 2014, 20:59 UTC)
Seine tagebuchartigen Berichte bracht er anonym unter dem Titel Briefe eines Verstorbenen heraus, doch wurde seine Autorschaft recht bald aufgedeckt. Zugrunde liegen seine realen Briefe an seine Frau Lucie, die er in der Druckausgabe aber als Freundin und als Julie anspricht. Es war auch von Anfang an geplant, die Briefe zu veröffentlichen. Daher der bewusst auf Wirkung ausgerichtete Stil.
Unterwegs aber geben mir die hellen Kristallfenster vom größten Format, die kein Gepäck und kein Bock verbaut, ebenso freie Aussicht als eine offene Kalesche, und lassen mich zugleich Herr der Temperatur, die ich wünsche. Die Leute auf ihrem hinter dem Wagen befindlichen hohen Sitze, übersehen von dort alles Gepäck und die Pferde, ohne in das Innere neugierige Blicke werfen, noch eine Konversation daselbst überhören zu können, wenn ja, im Lande der Brobdingnags oder Lilliputs angelangt, einmal Staatsgeheimnisse darin verhandelt werden sollten. [...]
Die Fluren von Jena und Auerstädt betrat ich mit eben den Gefühlen, die zwischen den Jahren 1806 und 1812 ein Franzose der großen Armee gehabt haben mag, wenn er über Roßbachs Felder schritt, denn der letzte Sieg bleibt (wie das letzte Lachen) immer der beste – und als nach so vielen Schlachterinnerungen mich der Musensitz, das freundliche Weimar in seinen Schoß aufnahm, segnete ich den edlen Fürsten, der hier ein Monument des Friedens aufgerichtet, und einen Leuchtturm im Gebiete der Literatur aufbauen half, der so lange in vielfarbigem Feuer Deutschland vorgeflammt hat. [...]
Der Großherzog hatte am Morgen die Güte, mir seine Privatbibliothek zu zeigen, die elegant arrangiert, und besonders reich an prächtigen englischen Kupferwerken ist. Er lachte herzlich, als ich ihm erzählte, kürzlich in einem Pariser Blatte gelesen zu haben, daß auf seinen Befehl Schiller ausgegraben worden sei, um sein Skelett in des Großherzogs Bibliothek in natura aufzustellen. Die Wahrheit ist, daß bloß seine Büste mit denen anderer die Säle ziert, sein Schädel aber dennoch, wenn ich recht hörte, im Postamente derselben verwahrt wird, allerdings eine etwas sonderbare Ehrenbezeugung. [...]
Diesen Abend stattete ich Goethe meinen Besuch ab. Er empfing mich in einer dämmernd erleuchteten Stube, deren clair-obscur nicht ohne einige künstlerische Koketterie arrangiert war. Auch nahm sich der schöne Greis mit seinem Jupiters-Antlitz gar sittlich darin aus. Das Alter hat ihn nur verändert, kaum geschwächt, er ist vielleicht weniger lebhaft als sonst, aber desto gleicher und milder, und seine Unterhaltung mehr von erhabener Ruhe als jenem blitzenden Feuer durchdrungen, das ihn ehemals, bei aller Grandezza, wohl zuweilen überraschte. Ich freute mich herzlich über seine gute Gesundheit, und äußerte scherzend, wie froh es mich mache, unsern Geister-König immer gleich majestätisch und wohlauf zu finden. »O, Sie sind zu gnädig«, sagte er mit seiner immer noch nicht verwischten süddeutschen Weise, und lächelte norddeutsch, satirisch dazu, »mir einen solchen Namen zu geben.« – »Nein«, erwiderte ich, wahrlich aus vollem Herzen, »nicht nur König, sondern sogar Despot, denn Sie reißen ja ganz Europa gewaltsam mit sich fort.« Er verbeugte sich höflich, und befrug mich nun über einige Dinge, die meinen früheren Aufenthalt in Weimar betrafen, sagte mir dann auch viel Gütiges über M... und mein dortiges Streben, mild äußernd, wie verdienstlich er es überall finde, den Schönheitssinn zu erwecken, es sei auf welche Art es wolle, wie aus dem Schönen dann immer auch das Gute und alles Edle sich mannigfach von selbst entwickele, und gab mir zuletzt sogar, auf meine Bitte, uns dort einmal zu besuchen, einige aufmunternde Hoffnung. Du kannst Dir vorstellen, Liebste, mit welchem empressement ich dies aufgriff, wenn es gleich nur eine façon de parler sein mochte. Im fernern Verlauf des Gesprächs, kamen wir auf Sir Walter Scott. Goethe war eben nicht sehr enthusiastisch für den großen Unbekannten eingenommen. ›Er zweifle gar nicht‹, sagte er, ›daß er seine Romane schreibe, wie die alten Maler mit ihren Schülern gemeinschaftlich gemalt hätten, nämlich, er gäbe Plan und Hauptgedanken, das Skelett der Szenen an, lasse aber die Schüler dann ausführen, und retouchiere nur zuletzt.‹ Es schien fast, als wäre er der Meinung, daß es gar nicht der Mühe wert sei, für einen Mann von Walter Scotts Eminenz seine Zeit zu so viel fastidiösen Details herzugeben
[Fußnote: Sir Walters offizielle Erklärung, daß alle jene Schriften von ihm allein seien, war damals noch nicht gegeben. A. d. H. ]. [...]
Von Lord Byron redete er nachher mit vieler Liebe, fast wie ein Vater von seinem Sohne, was meinem hohen Enthusiasmus für diesen großen Dichter sehr wohl tat. Er widersprach unter andern auch der albernen Behauptung, daß ›Manfred‹ eine Nachbetung seines ›Faust‹ sei, doch sei es ihm allerdings als etwas Interessantes aufgefallen, sagte er, daß Byron unbewußt sich derselben Maske des Mephistopheles wie er bedient habe, obgleich freilich Byron sie ganz anders spielen lasse. Er bedauerte es sehr, den Lord nie persönlich kennengelernt zu haben, und tadelte streng, und gewiß mit dem höchsten Rechte, die englische Nation, daß sie ihren großen Landsmann so kleinlich beurteile und im allgemeinen so wenig verstanden habe. [...]
Ich grolle meinem schlechten Gedächtnis, daß ich mich nicht mehr aus unsrer ziemlich belebten Unterhaltung eben erinnern kann. Mit hoher Ehrfurcht und Liebe verließ ich den großen Mann, den dritten im Bunde mit Homer und Shakespeare, dessen Name unsterblich glänzen wird, solange deutsche Zunge sich erhält, und wäre irgend etwas von Mephistopheles in mir gewesen, so hätte ich auf der Treppe gewiß auch ausgerufen: Es ist doch schön von einem großen Herrn, mit einem armen Teufel so human zu sprechen
[Fußnote: Ich glaube nicht, daß der erhabene Greis die Bekanntmachung dieser Mitteilung tadelnd aufnehmen wird. Jedes Wort, auch das unbedeutendere, seinem Munde entfallen, ist ein teures Geschenk für so viele, und sollte mein seliger Freund ihn irgendwo falsch verstanden, und nicht vollkommen richtig wiedergegeben haben, so ist wenigstens nichts in diesen Äußerungen enthalten, was, meines Bedünkens, eine Indiskretion genannt werden könnte. A. d. H.]
Fürst Pückler-Muskau: Briefe eines Verstorbenen Dritter Teil [chronologisch der erste]
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