Wer
hinter einem Ladentisch stand, war ein Krämer und gehörte in
die Kategorie des Handwerks. Die alten
Unterschiede zwischen Kaufleuten und Krämern, die einen
Laden hatten, bestanden also immer noch. Als Mitte der fünfziger
Jahre meine älteste Tochter, die als Studentin bei meiner
in Hamburg verheirateten Cousine wohnte, sagte, sie gehe zum
Kaufmann, um einzuholen, korrigierte diese: »Das heißt 'Krämer'.« [...]
Die
Tradition in den Hansestädten war eine andere als in den monarchisch
regierten Gliedstaaten des deutschen Reiches. [...]
Höfisches
Leben hatte es nie gegeben. Ein Herrscherhaus fehlte und wurde nicht
entbehrt. Die Obrigkeit war der Rat, später der Senat; Mitglieder
waren Handelsherren, nach und nach
auch Juristen. Die Ratsgeschlechter, wie sie ehedem hießen,
kamen und vergingen. Sie beruhten auf Herkunft und Bewährung
zugleich. Die materielle Existenz der Handelsherren
hing auch von der Obrigkeit ab, sie achteten deshalb bei Bestellung
der Senatoren auf deren Leistungsfähigkeit. Nepotismus war zu
teuer.
[...] Das
Universitätsstudium war bis ins 19. Jahrhundert hinein
sehr kostspielig. Eine Ausnahme machte die Theologie. Für
sie flossen beachtliche Stipendien, die als gottgefällige Leistung
galten.
Der erste Handwerkersohn, der auf die Universität ging, wurde meist
Pastor, dessen Sohn Lehrer, Arzt oder Jurist.
Letzteres vielfach erst der Enkel. Dagegen spielte das Militärische
in Lübeck — im Unterschied zu seiner Hochschätzung im
übrigen Deutschland — kaum eine Rolle. [...] Ein
reicher Handelsherr aus unserer Familie, auch er Senator,
hatte in seinem Testament diejenigen Töchter, die Offiziere
heirateten, auf den Pflichtteil beschränkt, und das wurde nach
seinem
Tod 1921 strikt eingehalten. Er war kein Gegner des Militärs,
aber er mißtraute diesem Beruf, der »eben doch nicht
ganz solide« sei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen