[Don Quijote:] Und ich, der ich dir zur Seite bin! kann ich mich nicht mit dem tapfern Peter vergleichen, der diese nämliche Stelle belastete, welche ich jetzt belaste? Verbinde dich, herzloses Tier, und laß deinen Mund die Furcht nicht aussprechen, die du hast, wenigstens nicht in meiner Gegenwart.«
»Verdeckt mir die Augen«, antwortete Sancho, »und da ich mich Gott nicht empfehlen soll oder mich ihm soll empfehlen lassen, ist es da so etwas Besonderes, daß ich fürchte, eine Region von Teufeln wird sich über uns machen und uns auf den Armensünderanger bringen?«
Sie verbanden sich, und da Don Quixote merkte, daß nun alles war, wie es sein sollte, drehte er den Zapfen, und er hatte ihn kaum mit den Fingern berührt, als alle Dueñen und alle Gegenwärtigen ihre Stimmen erhoben und riefen: »Gott geleite dich, tapferer Ritter! Gott sei mit dir, unerschrockener Stallmeister! Schon, schon reißt Ihr Euch durch die Lüfte, schneller als nur ein Pfeil fliegen kann; ja schon setzt Ihr alle in Erstaunen und Bewunderung, die Euch von der Erde nachschauen. Halte dich, tapferer Sancho denn du wackelst, sieh dich vor, daß du nicht fällst, denn dein Fall wäre schlimmer als der des verwegenen Jünglings, der den Sonnenwagen seines Vaters regieren wollte.«
Sancho hörte die Stimmen, drückte sich fest an seinen Herrn, den er mit den Armen umklammerte, und sagte: »Gnädiger Herr, wie sagen die doch, daß wir so hoch sind, da uns doch ihre Stimme erreicht und es nicht anders ist, als wenn sie dicht neben uns sprächen?«
»Nimm daran keinen Anstoß, Sancho, denn da diese Dinge und dieses Flugwerk so sehr von jedem gewöhnlichen Laufe entfernt sind, so magst du auch wohl auf tausend Meilen sehen und hören, was du nur willst; zerre mich übrigens nicht so, denn du reißest mich herunter. Und ich weiß doch wahrlich nicht, was dich ängstet oder in Furcht setzt, denn ich möchte schwören, daß ich zeit meines Lebens kein Pferd geritten habe, das so sanft ginge; ist es doch nicht anders, als wenn wir uns nicht von der Stelle bewegten. Wirf, lieber Freund, die Furcht ab, denn die Sache geht so gut, wie sie nur immer gehen kann, und ein günstiger Wind bläst in unsere Segel.« [...]
Dieses ganze Gespräch der beiden Helden hörten der Herzog und die Herzogin und alle, die sich im Garten befanden, was ihnen ein außerordentliches Ergötzen verursachte; und da sie nun diesem seltsamen und gut durchgeführten Abenteuer ein Ende machen wollten, so hefteten sie an den Schweif des Zapfenhölzern einige brennende Lunten, und augenblicks, da das Pferd inwendig voller Schwärmer war, flog es mit Gekrache durch die Luft und warf den Don Quixote und Sancho Pansa, beide halb versengt, auf die Erde. Vorher hatte sich schon die ganze bebartete Heerschar der Dueñen, auch die Dreischleppina und alles aus dem Garten entfernt, aber die übrigen lagen wie ohnmächtig auf dem Boden ausgestreckt.
Don Quixote und Sancho erhoben sich, übel zugerichtet, schauten nach allen Seiten um und waren sehr verwundert, sich in dem nämlichen Garten wiederzufinden, aus welchem sie abgereist waren, auch so viele Leute auf der Erde liegen zu sehen, aber ihre Verwunderung stieg noch höher, als sie auf der einen Seite des Gartens eine Lanze in den Boden gepflanzt sahen und an ihr mit zwei grünen Schnüren ein weißes und helles Pergament befestigt, auf welchem mit großen goldenen Buchstaben folgendes geschrieben war:
Der erlauchte Ritter Don Quixote von la Mancha hat das Abenteuer der Gräfin Dreischleppina, mit einem andern Namen genannt die Dueña Schmerzenreich, und ihrer Gesellschaft bestanden und vollbracht, bloß dadurch, daß er es unternommen. Malambruno meint, seine völlige Befriedigung und Genugtuung erhalten zu haben, die Bärte der Dueñas sind schon hinweg und verschwunden und die Könige Don Clavijo und Antonomasia in ihrem ehemaligen Zustande. Und sobald die stallmeisterliche Geißelung erfüllt sein wird, soll die weiße Taube von den giftigen Geiern befreit sein, die sie verfolgen, und in den Armen ihres geliebten Täubers ruhen, denn so ist es verordnet vom weisen Merlin, Protozauberer aller Zauberer.
Als Don Quixote die Schrift des Pergaments gelesen hatte, sah er deutlich ein, daß von der Entzauberung der Dulcinea die Rede sei; er dankte dem Himmel vielmals, daß er mit so weniger Gefahr ein so großes Werk bestanden habe, die Gesichter der ehrwürdigen Dueñas in ihre alte Verfassung zu setzen, die nicht mehr zu sehen waren; er ging hierauf zum Herzoge und zur Herzogin, die noch nicht zu sich ge kommen schienen, und zog den Herzog bei der Hand und sagte zu ihm: »Auf, edler Herr, seid gutes Muts, denn alles ist vorüber, das Abenteuer ist schon ohne Gefahr und Schaden bestanden, wie es die Schrift deutlich beweist, die sich an jenem Pfeiler befindet.«
Der Herzog kam nach und nach zu sich, als wenn er aus einem schweren Traum erwachte, ebenso machten es die Herzogin und die übrigen, die im Garten ausgestreckt lagen, mit solchen Gebärden des Erstaunens und der Verwunderung, so daß sie beinahe selbst das Gefühl bekamen, als wäre ihnen das wirklich begegnet, was sie im Scherze so täuschend nachzuspielen wußten. Der Herzog las das Blatt mit halbgeschlossenen Augen, worauf er sogleich die Arme ausstreckte, um Don Quixote zu umarmen, indem er sagte, daß er der größte Ritter sei, den nur irgendein Jahrhundert hervorgebracht habe. Sancho ging umher und suchte die Schmerzenreich, um zu sehen, was sie für ein Gesicht ohne Bart habe und ob sie ohne diesen so schön sei, wie man nach ihrem edeln Anstande erwarten konnte; aber man sagte ihm, daß, sowie Zapfenhölzern brennend durch die Luft herniedergekommen und zu Boden gestürzt sei, alsbald die ganze Schar der Dueñas samt der Dreischleppina verschwunden, sie aber auch schon glatt bis auf die Wurzeln geschoren gewesen wären. Die Herzogin fragte Sancho, wie es ihm auf der weiten Reise ergangen sei. [...]
(Cervantes: Don Quijote 2. Teil 9. Buch 8. Kapitel)
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