Therese war sowohl wie ihre Tochter erstaunt, und das Mädchen sagte: »Ich will sterben, wenn unser gnädiger Herr Don Quixote nicht dahintersteckt, der gewiß dem Vater die Statthalterei oder Grafschaft geben wird, die er ihm so oft versprochen hat.«
»So ist es«, antwortete der Page, »denn aus Rücksicht für den Herrn Don Quixote ist der Herr Sancho jetzt Statthalter der Insel Barataria, wie man aus diesem Briefe sehen wird.«
»Leset ihn nur, mein lieber Herr Edelmann«, sagte Therese, »denn ich kann wohl spinnen, aber nicht ein Körnchen lesen.«
»Ich ebensowenig«, fügte Sanchica hinzu; »aber wartet ein wenig, ich will gehen und jemanden rufen, entweder den Pfarrer selbst oder den Baccalaureus Simson Carrasco, und sie werden sehr gern kommen, um nur Neuigkeiten vom Vater zu hören.«
»Ihr braucht niemanden zu rufen, denn ich kann nicht spinnen, aber lesen, und ich will ihn lesen.« Worauf er ihn ganz vorlas, wie man ihn oben gesehen hat; darauf nahm er den andern Brief der Herzogin, der also lautete:
Liebe Therese!
Die Vorzüge des Charakters und des Geistes Eures Gemahls, Sancho Pansa, haben mich bewogen und verpflichtet, den Herzog, meinen Gemahl, zu bitten, ihm die Statthalterschaft einer von den Inseln zu geben, deren er viele besitzt. Ich vernehme, daß er wie ein Engel regiert, worüber ich mich sehr erfreue und der Herzog nicht weniger, weshalb ich dem Himmel tausendmal danke, daß ich darin nicht gefehlt habe, ihn für diese Statthalterschaft zu bestimmen; denn meine werte Therese muß wissen, daß es schwer ist, in der Welt einen guten Statthalter zu finden; und Gott soll mir beistehen, wie herrlich er regiert. Ich schicke Euch hier, meine Teure, eine Schnur Korallen mit einem goldenen Gehenke; ich wünschte, daß es orientalische Perlen wären; aber wer dir ein Brot schenkt, wünscht wenigstens deinen Tod nicht! Es wird eine Zeit kommen, in der wir mehr Bekanntschaft und Mitteilung haben werden, und Gott weiß, was geschieht. Empfehlt mich Sanchica, Eurer Tochter, und sagt ihr von mir, daß sie sich bereit halten könne, denn ich will sie vornehm verheiraten, wenn sie am wenigsten daran denkt. Ihr sollt in Eurem Dorfe große Eicheln haben, schickt mir doch ein oder zwei Dutzend, denn ich werde sie sehr schätzen, da sie von Eurer Hand kommen, und schreibt mir weitläuftig, ob Ihr wohl seid und wie es Euch geht, denn wenn Ihr etwas nötig habt, so braucht Ihr nur den Mund aufzutun, und man wird Euch den Mund sogleich voll geben. Und Gott möge mir Euch erhalten. Von hier,
Eure Freundin, die Euch von ganzer Seele liebt,
die Herzogin
»Ei!« sagte Therese, als sie den Brief gehört hatte, »o was ist das für eine liebe, was für eine umgängliche, was für eine herablassende Dame! Ja, für solche Damen will ich durchs Feuer laufen, aber dagegen die Edelfrauen, wie sie hier im Orte Mode sind, die meinen, daß, weil sie von Adel sind, sie kein Lüftchen anwehen soll, die mit solcher Pracht in die Kirche kommen, als wenn sie gekrönte Königinnen wären; ist es doch nicht anders, als wenn sie es sich für eine Schande hielten, eine Bauerfrau nur anzusehen; da sehe mir aber nur einer diese vortreffliche Dame, die doch eine Herzogin ist und mich ihre Freundin nennt und mit mir wie mit ihresgleichen umgeht; o wäre sie doch dem allerhöchsten Kirchturme gleich, den es in ganz la Mancha gibt! Und was die Eicheln anbetrifft, lieber Herr, so will ich der gnädigen Frau eine ganze Metze schicken, denn man hat sie hier so groß, daß sie sich sehen lassen dürfen, denn es ist zum Verwundern. Und nun, Sanchica, sorge gleich für den Herrn, sieh nach seinem Pferde und nimm im Stalle Eier aus und schneide ein rechtschaffenes Stück Schinken ab und gib ihm zu essen wie einem Prinzen, denn die guten Nachrichten, die er uns gebracht hat, sowie sein allerliebstes Gesichtchen verdienen das Beste; ich will indessen gehen und meinen Nachbarinnen die Zeitung von unserm Glücke erzählen, auch dem alten Herrn Pfarrer und dem Meister Niklas, dem Barbier, denn sie sind immer große Freunde von deinem Vater gewesen.« [...]
»Ach du liebster Gott!« versetzte Sanchica, »o wie muß das das Herz erquicken, meinen Vater mit Pluderhosen zu sehen! Ist es nicht recht besonders, daß ich, seit ich auf der Welt bin, das schrecklichste Verlangen habe, meinen Vater in angehäkelten Hosen zu sehen?«
»Und wie wird ihn das gnädige Fräulein mit diesen Dingen sehen!« antwortete der Page; »meiner Seel, er legt es darauf an, mit einer hohen Mütze zu reisen, wenn seine Statthalterschaft nur zwei Monate dauert.«
Der Pfarrer und der Baccalaures sahen wohl, daß der Page sie nur zum besten hatte; aber die Feinheit der Korallen und das Jagdkleid, welches Sancho schickte – denn Therese hatte ihnen dieses schon gezeigt –, machte sie immer irre; sie mußten aber über Sanchicas Wunsch lachen, noch mehr aber, als Therese sagte: »Herr Pfarrer, horcht mir doch aus, ob es hier nicht einen gibt, der nach Madrid geht oder nach Toledo, daß er mir einen runden Reifrock kauft, recht und gerecht, nach der Mode, und so schön man ihn nur haben kann, denn meiner Seel, ich will der Statthalterschaft meines Mannes, soviel ich nur immer kann, Ehre machen, und, jaja, es kann mir wohl gar einfallen, daß ich an unsern Hof gehe und mir eine Kutsche anschaffe wie alle andern, denn die einen Statthalter zum Manne hat, kann das wohl durchsetzen und auf sich wenden.«
»Das wollt ich glauben!« sagte Sanchica, »wollte Gott, daß das doch lieber heute als morgen geschähe, wenn auch alle, die mich mit meiner Frau Mutter in der Kutsche sitzen sähen, sagen sollten: Ei seht doch das Ding an, die Tochter von einem Knoblauchsfresser, wie sie dasitzt und sich in der Kutsche reckt, als wenn sie eine Päpstin wäre. Aber mögen sie im Dreck laufen, wenn ich in meiner Kutsche sitze und die Beine über der Erde halte. Ich schere mich den Henker um alle Lästermäuler in der ganzen Welt; sitz ich nur weich, ist mir alles Schwatzen gleich. Hab ich nicht recht, Mutter?«
»Und wie hast du recht, mein Kind«, antwortete Therese, »und alles dieses Glück, ja noch mehr hat mir mein lieber Sancho prophezeit; und du wirst sehen, Tochter, daß er mich gewiß noch zur Gräfin macht, denn alles Glück will seinen Anfang haben, und wie ich oft von deinem lieben Vater gehört habe – der dein Vater, aber auch ein Vater von Sprichwörtern ist –, wenn sie dir schenken die Kuh, so lauf mit dem Stricke zu; wenn sie dir eine Statthalterschaft geben, so nimm sie, wenn sie dir eine Grafschaft geben,[341] so laß sie nicht fahren, und wenn sie dir ein tüchtiges Geschenk hinreichen, so stopf es dir in den Hals! Ei, das wäre mir recht, daß man sich schlafen legte und dem Glück und allen Herrlichkeiten nicht aufmachte, wenn sie an die Türe klopfen.«
»Und was geht's mich weiter an«, fügte Sanchica hinzu, »mögen sie doch reden, was sie wollen, wenn ich in meiner Pracht und majestätisch dasitze; grämt sich der Hund, weil er ist bunt?«
Als der Pfarrer dies hörte, sagte er: »Ich muß durchaus glauben, daß die ganze Familie der Pansas mit einem Ranzen voll Sprichwörter im Leibe zur Welt kommt; ich habe noch keines von ihnen gesehen, der sie nicht zu allen Zeiten um sich streut und bei allem, was er spricht.«
»Das ist wahr«, sagte der Page, »denn der Statthalter Sancho sagt bei jedem Schritte welche, und wenn sie auch nicht immer passen, so machen sie doch Vergnügen, und meine gnädige Herzogin und der Herzog erheben sie sehr.« [...]
(Cervantes: Don Quijote 2. Teil 9. Buch 17. Kapitel)
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