13 September 2016

Tod und Sterben - das letzte Tabu

Annelie Keil, Henning Scherf:  Das letzte Tabu. Über das Sterben reden und den Abschied leben lernen, Herder Verlag,  256 S., 2016

Zitate:
„Man muss dem Leben auch noch in seinem Sterben begegnen, um neugierig zu entdecken, zu erleben, zu erfahren und zu erkennen, welche Reichtümer es bis zuletzt bietet.“

"Nicht nur das Lebensende, das ganze Leben verlangt Mut, Kraft und einen starken Lebenswillen. Und wenn ein Leben in die Jahre gekommen ist, braucht es vor allem Geduld und Gelassenheit, um im aufrechten Gang zu bleiben."

"[...] immer noch gibt es etwas zu lernen, um den Abschied leben zu können. Die Aufgabe zur selektiven Begrenzung und Genügsamkeit bleibt bis zum Ende"

Ausführliche Zitate aus der Rezension des Blogs aus.gelesen:


'Gutes Sterben'  "braucht die Öffnung innerer und äußere Räume für eine Rückschau, es braucht Stille und Abschiednehmen, es braucht Demut auch. Jedes Leben endet mit dem Tod, auch wenn die (moderne) Gesellschaft viele Vermeidungsstrategien und Verdrängungsprozess zeigt. Der oftmal grassierende ‚Jugendwahn‘ ist dafür ein Beispiel ebenso wie die ‚Entsorgung‘ alter und kranker Menschen im Heimen und Krankenhäuser, insbesondere in den USA sind Methoden auf dem Markt, Verstorbene zu konservieren, um sie ggf. bei einer entsprechend fortgeschrittenen Medizin wieder zum Leben zu erwecken.

Jeder Tod ist individuell und einmalig und Sterben kann man nicht lernen. Man kann sich aber auf sein eigenes Sterben vorbereiten, in dem man sich mit seinem Leben und der eigenen Endlichkeit auseinandersetzt. Dies meint nicht mehr und nicht weniger eine Änderung der Sterbekultur in unserem Land, einer Sterbekultur, in der der Sterbende seiner Selbstbestimmung nicht beraubt wird und in der Menschlichkeit herrscht anstatt, daß er in einsam und ohne Begleitung in einen Heim oder einem Krankenhaus (oder….) stirbt. Ehrenamtliche und professionelle Hospizbegleitung sowie die Wiederentdeckung der palliativmedizinischen Begleitung sterbenskranker am Ende ihres Lebens sind wichtige Komponenten einer menschlichen, einer humanen Sterbebegleitung, die ein menschenwürdiges Sterben ermöglichen. 

Im Kern, so fasst Keil zusammen, geht es in der Begleitung und Betreuung sterbender Menschen um die Erhaltung und Verbesserung ihrer Lebensqualität, um die Unterstützung derer, die als begleitende Angehörige mit besonderen Problemen konfrontiert werden, die mit einer lebensbedrohlichen Krankheit einhergehen. 

Der Begriff der Selbstbestimmung ist den Autoren wichtig, er taucht immer wieder in verschiedenen Aspekten auf, vor allem im Sinne des Suizides eines Kranken und des möglichen Wunsches eines Sterbenden nach einem assistierten Suizid; für den ersten Fall wird der Suizid des an einem Glioblastom erkrankten Schriftsteller Wolfgang Herrndorf als Beispiel angeführt. Damit stellt des weiteren das Themenfeld ‚Sterbehilfe‘ einen Schwerpunkt der Ausführungen dar. Einen weiteren Schwerpunkt stellt der Komplex der ‚Sterbebegleitung‘ dar, in der neben den medizinischen und pflegerischen ‚Fachleuten‘ jeder Einzelne gefragt ist. Sterbebegleitung als seelsorgerische und mitmenschliche Begleitung ist ein schöpferischer Akt, in dem soweit es möglich ist, auf die Bedürfnisse des Sterbenden eingegangen wird. Er wirkt auf den Begleitenden zurück: nur weniges ist friedvoller als eine gelungene Begleitung, die immer auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit ist. [...]

Das letzte Tabu ist ein Mutmachbuch. Es zeigt, da biographisch, daß man sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen kann und es zeigt die Richtung, in die man gehen kann, um die Erkenntnis von der eigenen Endlichkeit akzeptieren zu lernen. Es ist überzeugend dadurch, daß die Verfasser aus eigenen Erfahrungen heraus sprechen. Trotzdem sollte man sich immer daran erinnern, daß jedes Sterben so individuell ist wie das Leben, an dessen Ende es steht, es gibt keine für alle Menschen gültigen und zu befolgenden Regeln, die ein ‚richtiges‘ Sterben garantieren. Letztlich muss jeder seinen eigenen Weg finden, auch auf die Gefahr hin, sich zu verirren: niemand kann dieser Tatsache ausweichen."
(Diese Zitate können die Lektüre der vollständigen Rezension, die auch kritische Anmerkungen enthält, nicht ersetzen. Sie sollen aber Mut machen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und dabei auch zu diesem Buch zu greifen. Weitere Buchhinweise finden sich in der Rezension.)
Und im Buch:
W. Bergmann:Sterben lernen, München 2011
S. Saalfrank: Innehalten ist Zeitgewinn. Praxishilfe zu einer achtsamen Sterbekultur, Freiburg 2009

Mehr zum Thema Tod und Sterben:
"Der Tod hat auch einen Zauber" ZEIT 5.11.2015

S. Gottschling: Sterben SR 2 "Fragen an den Autor" Rundfunkinterview 53 Min. 25.9.16

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