Von Wilhelm Kottenrodt mit dem Künstlernamen Wilhelm Kotzke habe ich als Kind sein Buch "Und deutsch sei die Erde! Aus der Zeit deutscher Größe", 1912, gelesen. Es handelte von der deutschen Ostsiedlung. In Erinnerung habe ich insbesondere, dass Albrecht der Bär darin eine wichtige Rolle gespielt hat. Jetzt ist mir von ihm "Die Burg im Osten. Das Schicksal einer Ritterschaft, 1925, in die Hände gefallen. Darin der handschriftliche Eintrag "Gelesen: Thorn im Kriegswinter 39/40".
Um mir in Erinnerung zu rufen, welcher Art meine Jugendlektüre war, werde gelegentlich etwas darin lesen, bevor ich es abgebe.
Der Roman beginnt in den 1380er Jahren damit, dass Anna, die Frau des litauischen Herzogs Witowd, diesen aus der Gefangenschaft befreit, indem sie ihm ermöglicht, mit ihren Kleidern das Gefängnis zu verlassen, und sich dafür in die Gewalt des Gegners Jagil begibt. Denn Witowd sei der einzige, der sein Volk noch retten könne.
Dazu sagt der befreite Witowd auf der Flucht:
" 'Die Herzogin ist in Jagils Händen. Wenn er sie mordet, muß er mit allen seinen Freunden sterben, ich will keinen Säugling verschonen und meine Lust haben, wenn man die Weiber erschlägt, auf daß sie ihm keinen Rächer gebären.' " (S.15)
Im zweiten Kapitel wendet sich die Handlung Nikolaus Fellenstein, einem Baumeister der Marienburg, zu. (S.17)
"Der Fiedler stimmte seine Geige. Dann riß er die Saiten, und nun quollen ihm die Töne unter dem Bogen vor. Da quollen alle Herzen mit ihnen, und das Blut ging heiß durch die Adern, daß eine Magd die andere an den Händen faßte. Anna, Marie! Nun mag das Spinnrad stehen!
'Spielmann tu dein Werk!' sprach Volbrecht. 'Ich jage alle jungen Beine im Dorfe auf, wie einst der Juden Posaunen die Leute von Jericho!' [...] Wenn der Fiedler jetzt die Seelen aus allen Banden riß, sie folgten ihm, und wenn es in den Glas- und Demantberg ging." (S.47/48)
Klaus Fellenstein im Gespräch mit seiner Frau, nachdem der Bau der Marienburg unterbrochen worden ist:
"Es war eine weicher, milder Klang in ihrer Stimme, der mit wohligem Hauch sein Herz umschmeichelte. [...]
'Das weißt du nicht, Margarete, wie es in meiner Seele wogt. [...] Formen und Gestalten bilden sich heraus, ich sehe Räume, die sich wölben wie der Himmelsdom, ja köstlicher noch, wie Gottes Gemach, darin er seinen Herrscherthron errichtet. Gottes Auge aber leuchtet mir. Solche Pfade geht man immer einsam. Keine Liebe, und sei es eines Weibes Liebe, kann uns dorthin begleiten. [...] Und immer wieder wogt es in mir auf, daß ich Gottes Wohnung stürmen muß, ich bringe von jedem Sturm einen Glanz in meiner Hand zurück, und es ist noch nicht Gottes volles Licht. All dies Hoffen und Ringen und diese Qual, es ist die Seligkeit meines Lebens; ich weiß nicht, ob du das ganz ermessen kannst. Sieh, meine Seligkeit, ohne die ich in Höllen schmachten muß, ist der Quell, der den Dürstenden labt, das Brot, das mich stärkt. Und dieses Brot aus Gottes Hand ward mir genommen, ich weiß nicht, ob für Jahre, ob für immer.' [...]
Sie sann eine Zeit und ermaß alles in ihrem Herzen. Dann erwiderte sie ihm: 'Ich bin ein armes Weib und kann nicht wissen, was ihr Männer wißt. Ihr stürmt in die Welt hinaus [...]' [Margarete] schief endlich ein [...] mit sorgenden und doch glückvollen Gedanken, weil sie in dieser Nacht erkannte, wie überreich ihres Gatten Seele war und daß sie seines Kampfes Gefährtin sein durfte." (S.196-198)
Es ist nicht die Sprache allein mit abgegriffenen Bildern und unstimmigen Metaphern, die dem Text sein hohles Pathos gibt. Es ist auch das Herbeiziehen der religiösen Sphäre (Gott, Himmel, Hölle), die gebraucht wird, um zu beschreiben, dass der Hochmeister ihm seine Aufgabe am Bau der Marienburg entzogen hat. Es ist auch die 1925 in Zeiten des Bubikopfs überholte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, die ein heroisches Zeitgefühl wieder heraufbeschwören möchte.
Dafür dienen dann Anklänge an die Sprache Luthers im Weihnachtsevangelium ("Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen." Lk 2, 19) und an Goethes Faust ("Ich bin nur durch die Welt gerannt") und Schillers Glocke ("Der Mann muss hinaus ins feindliche Leben").
Wozu all dies Pathos dient, wird in einer Formulierung über die Aufgabe der Ordensritter deutlich: "[...] bei manchem auch die klare Erkenntnis, daß sein Leben und Kämpfen hier im Ostland der Erhaltung des deutschen Wesens galt" (S.201)
Zu dieser letzten Formulierung passt eine Aussage über Nikolaus Fellenstein:
"Er verstand nun jenes Wort Winrichs von Kniprode, daß des Ordens Schwert hier Gottes Raum schaffe und daß sein Werk des ein Abglanz sein müsse. Klaus Fellenstein war seiner Sendung voll, als er heimkehrte." (S.225)
Über die Marienburg denkt Herzogin Anna (s.o.):
"Der hohe stolze Bau der Marienburg hatte ihr zuerst die Gewißheit gegeben, daß die Deutschen ihrem Volke überlegen waren; immer sah sie diesen Bau und sah den sinnenden Mann daran schaffen, der stets neue Wunder in ihm erstehen ließ. Sie fühlte oft ein heißes Verlangen, zu den Deutschen zurückzukehren und an ihre Herzen zu pochen."(S.209)
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