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Fanny Lewald: Mittag im Sommer
"Es ist etwas Bezauberndes in der Fülle von Licht und Wärme, etwas Wundervolles um die Luftstille, welche dem Mittag im Sommer zu eignen pflegt, die helle Schattenlosigkeit hat etwas Magisches. Alles ist in höchstem Genießen versenkt, ruhend und seine Schönheit still entfaltend. Die Blumen duften alle stärker und breiten die ganze Pracht ihrer Blätter, die ganze Herrlichkeit ihrer Farben aus, während die Sonne tief bis in ihre Kelche eindringt. Die Schmetterlinge wiegen sich mit leise bewegtem Flügel, die Bienen summen durch die Luft und fliegen und sinken von einer Blume zu der andern nieder, und die Ranken und Aeste und Zweige und Blätter heben und neigen sich linde, als wollten sie durch die sanfte Bewegung den Sonnenstrahlen entgegenkommen, um noch mehr von ihrer segenbringenden Kraft zu genießen. Man meint es sehen zu können, wie Alles wächst, wie der Apfel sich färbt, wie in der warmen Traube die feurige Kraft des Weines sich entwickelt, man fühlt sich selber wie in seinem eigentlichen Elemente. Von frisch glänzendem Rasen durch Baumesgrün, zum sonnendurchleuchteten Himmelsblau emporzuschauen, ist eine unvergleichliche Lust. Es liegt etwas so Herzerschließendes, etwas selig Berauschendes in dem Mittag. Wenn Gott die Erde erschaffen, so hat er sicherlich den ersten Menschen am hohen Mittag die Augen öffnen lassen, damit er es gleich mit einem Male erfahre, was die Erde ihm zu bieten habe, und wie herrlich und schön die Welt sei." (Fanny Lewald: Meine Lebensgeschichte, 25. [letztes] Kapitel)
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