Während Ahnung und Gegenwart während Eichendorffs von mancherlei Reisen unterbrochenen Studiums entstand, 1812 vollendet war und 1815 erschien, als Eichendorff als Landwehrleutnant Teil der preußischen Besatzungstruppen in Frankreich war, erschien Dichter und ihre Gesellen 1834, als er bereits 18 Jahre als Jurist im preußischen Staatsdienst arbeitete, zuletzt in Berlin für verschiedene Ministerien.
Fortunat - Hauptfigur, Dichter, in mancher Weise Eichendorffs vom Schicksal begünstigtere alter ego. Während Eichendorff aufgrund der Überschuldung seines Vaters den Verkauf der geliebten Stätten seiner Jugend verlor, kann sich Fortunat leisten, die Begegnung mit Natur und Kultur im Sehnsuchtsland der Deutschen (Winckelmann, Goethe, Karl Philipp Moritz, Seume, Gregorovius ...) zu suchen.
Walter - der Beamte, der heiraten will und eine gesicherte Stellung anstrebt - Er war Fortunats Freund, wird von diesem aufgefordert, mit nach Italien zu reisen, entscheidet sich aber für Heirat, Aktenstudium und gesicherte Stellung. - Insofern steht er für das, was Eichendorff nach dem Verlust der meisten der Güter der Familie geworden ist: Beamter, der für seinen Lebensunterhalt seine Berufung zum Dichter zurückstellen muss.
Freilich hat Eichendorff es verstanden, neben dem Beruf ein bedeutendes lyrisches Werk und eine Reihe wichtiger Prosawerke zu schaffen. Fortunat und Walter stehen insofern für zwei Seiten seines Lebens.
Lothario, Graf Victor von Hohenstein, Vitalis - ebenfalls ein alter ego Eichendorffs, freilich nicht so unbekümmert wie Fortunat, deutlicher unter seinen inneren Widersprüchen leidend.
Eine autobiographische Entsprechung findet der Graf in Otto von Loeben, der Eichendorff in seinen dichterischen Bestrebungen ermutigte, so wie Victor als der arrivierte Dichter dem noch unbekannten Dichter Fortunat als - nicht unkritisch gesehenes - Vorbild gegenüber steht.
Der ältere Eichendorff nannte Otto "in seiner späten autobiographischen Schrift „Halle und Heidelberg“ die „erstaunlichste Karikatur der Romantik“, um die „wahre“ Romantik von den negativen Assoziationen dieses Klischees zu befreien." (Deutsche Biographie)
Hier muss darauf eingegangen werden, dass Eichendorff mit manchem auf Goethes Wilhelm Meister anspielt.
1. Fortunat entspricht Wilhelm, der auf Reisen geht und auf die Schauspieler trifft
2. Walter entspricht dem Kaufmann Werner, der Wilhelms Eskapaden wohlwollend kritisch von zu Hause aus begleitet.
3. Lothario/Graf/Vitalis entspricht in manchem dem Goetheschen Lothario, der im Mittelpunkt der Turmgesellschaft steht
4. Kordelchen, das sinnliche Frauenzimmer entspricht Philine (ihre kurzzeitige Verbindung mit Otto hat eine Parallele in der Schauspielerin Marianne, in die Wilhelm sich verliebt.)
5. Fürst und Fürstin, bei denen die Schauspielertruppe unterkommt, entsprechen Graf und Gräfin in Wilhelm Meister.
6. Otto, der sich den Schauspielern anschließt, aber als Dichter erfolglos bleibt, entspricht dem Wilhelm der ersten Phase, bevor er unter den Einfluss der Turmgesellschaft gerät. Andererseits dürfte sich hier auch schon die kritischere Sicht Eichendorffs auf seinen 9 Jahre zuvor verstorbenen Jugendfreund niederschlagen.
7. Grundling, der komische Vertreter der Aufklärung, der von Kordelchen gefoppt und in die Kleidung eines Jesuiten gesteckt wird, hat keine deutliche Entsprechung bei Goethe. Wohl aber erinnert der Name an den Historiker Gundling, den Mann, der am Hof der Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. trotz seiner Funktion als Präsident der Preußischen Akademie der Wissenschaften unfreiwillig die Rolle des Hofnarren zu spielen hatte. Die Rolle eines Narren, über den man sich lustig macht, hat im Kreise der Romantiker auch Grundling, den man, weil er für die Aufklärung eintritt nicht ernst nimmt.
Freilich, so gut sich Bezüge herstellen lassen, so weit ist dieser verwirrend/verwirrte romantische Roman vom Bildungsroman Goethes entfernt.
So hat z.B. die spanische Gräfin Juana hat gewiss keine Ähnlichkeit mit Nathalie, sondern eher mit der Gräfin Rosa in Ahnung und Gegenwart.
mehr zum biographischen Hintergrund:
J. v. Eichendorff war nie in Italien. Seine Bildungsreise ins Ausland erfolgte nach Paris.
Zunächst studierte er mit seinem anderthalb Jahre älteren Bruder Wilhelm v. E. in Halle, dann in Heidelberg, wo beide in den Kreis der Heidelberger Romantiker gerieten. Sein Bruder Wilhelm ging im Unterschied zu Joseph in den österreichischen Staatsdienst und wurde, als er in Trient die Revolutionäre von 1848 nicht konsequent genug bekämpfte, strafversetzt nach Innsbruck. Auch er dichtete, doch sind von ihm nur wenige Gedichte im Internet zugänglich (Beispiele).
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