Bei
allem Zugeständnisse, welches ich dem monogamischen Vorurteile zu
machen willens bin, werde ich doch niemals zulassen, daß man bei
Mann und Weib von gleichen Rechten
in der Liebe rede: diese gibt es nicht. Das macht, Mann und Weib
verstehen unter Liebe jeder etwas anderes – und es gehört mit
unter die Bedingungen der Liebe bei beiden Geschlechtern, daß das
eine Geschlecht beim andren Geschlecht nicht das
gleiche Gefühl, den gleichen Begriff »Liebe« voraussetzt. Was das
Weib unter Liebe versteht, ist klar genug: vollkommne Hingabe (nicht
nur
Hingebung) mit Seele und Leib, ohne jede Rücksicht, jeden Vorbehalt,
mit Scham und Schrecken vielmehr vor dem Gedanken einer
verklausulierten, an Bedingungen geknüpften Hingabe. In dieser
Abwesenheit von Bedingungen ist eben seine Liebe ein Glaube:
das Weib hat keinen anderen. – Der Mann, wenn er ein Weib
liebt, will von
ihm eben diese Liebe, ist folglich für seine Person selbst am
entferntesten von der Voraussetzung der weiblichen Liebe; gesetzt
aber, daß es auch Männer geben sollte, denen ihrerseits das
Verlangen nach vollkommner Hingebung nicht fremd ist, nun, so sind
das eben – keine Männer. Ein Mann, der liebt wie ein Weib, wird
damit Sklave; ein Weib aber, das liebt wie ein Weib, wird damit
ein vollkommneres Weib...
Die Leidenschaft des Weibes, in ihrem unbedingten Verzichtleisten auf
eigne Rechte, hat gerade zur Voraussetzung, daß auf der andren
Seite nicht ein
gleiches Pathos, ein gleiches Verzichtleisten-Wollen besteht: denn
wenn beide aus Liebe auf sich selbst verzichteten, so entstünde
daraus – nun, ich weiß nicht was, vielleicht ein leerer Raum? –
Das Weib will genommen, angenommen werden als Besitz, will aufgehn in
den Begriff »Besitz«, »besessen«; folglich will es einen,
der nimmt,
der sich nicht selbst gibt und weggibt, der umgekehrt vielmehr gerade
reicher an »sich« gemacht werden soll – durch den Zuwachs an
Kraft, Glück, Glaube, als welchen ihm das Weib sich selbst gibt. Das
Weib gibt sich weg, der Mann nimmt hinzu – ich denke, über diesen
Natur-Gegensatz wird man durch keine sozialen Verträge, auch nicht
durch den allerbesten Willen zur Gerechtigkeit hinwegkommen: so
wünschenswert es sein mag, daß man das Harte, Schreckliche,
Rätselhafte, Unmoralische dieses Antagonismus sich nicht beständig
vor Augen stellt. Denn die Liebe, ganz, groß, voll gedacht, ist
Natur und als Natur in alle Ewigkeit etwas »Unmoralisches«. –
Die Treue ist
demgemäß in die Liebe des Weibes eingeschlossen, sie folgt aus
deren Definition; bei dem Manne kann sie
leicht im Gefolge seiner Liebe entstehn, etwa als Dankbarkeit oder
als Idiosynkrasie des Geschmacks und sogenannte Wahlverwandschaft,
aber sie gehört nicht ins Wesen seiner
Liebe – und zwar so wenig, daß man beinahe mit einigem Rechte von
einem natürlichen Widerspiel zwischen Liebe und Treue beim Manne
reden dürfte: welche Liebe eben ein Haben-Wollen ist und nicht ein
Verzichtleisten und Weggeben;das Haben-Wollen geht aber jedesmal mit
dem Haben zu
Ende... Tatsächlich ist es der feinere und argwöhnischere
Besitzdurst des Mannes, der dies »Haben« sich selten und spät
eingesteht, was seine Liebe fortbestehn macht; insofern ist es selbst
möglich, daß sie noch nach der Hingebung wächst – er gibt nicht
leicht zu, daß ein Weib für ihn nichts mehr »hinzugeben« hätte."
(Nietzsche:
Fröhliche Wissenschaft, 5. Buch Nr.363)
Vom heutigen Standpunkt aus gesehen würde man sagen: Männerphantasie.
Eine - durchaus auf Emanzipation bedachte Frau hat - ebenfalls im 19. Jahrhundert - Folgendes geschrieben:
"Ein
Frauenherz, in dem einmal der Strahl wahrer Liebe gezündet, erkennt
seinen Besieger in dem Manne, fühlt sich ihm untertan, als Sklavin
seines Willens, und möchte doch aus angeborenem Schamgefühl nicht
dem Auge jedes Ungeweihten die Fessel zeigen, durch die es gebunden
wird, die oft blutig drückt und selbst zerbrochen unvertilgbare
Narben zurücklässt. Geliebt werden ist das Ziel der Frauen. Ihr
Ehrgeiz ist Liebe erwerben; ihr Glück lieben, und die Liebe, nach
der sie gestrebt, nicht erlangen können, unglücklich lieben, eine
Kränkung, welche nur die edelsten Frauennaturen ohne Schädigung zu
tragen vermögen. So beruht die ganze Entwicklung der weiblichen
Seele auf dem Verhältnis zum Manne; und man darf das Weib nicht der
Falschheit anklagen, wenn es den geheimnisvollen Prozess seines
geistigen Werdens schamhaft der Welt verbergen möchte. (S.201)
Es
schien ihr leichter, Unrecht zu haben, sich selbst eines Fehlers zu
bezichtigen, als Reinhard eine Schuld beizumessen: denn
wahre Frauenliebe klagt
lieber sich als den Geliebten an." (Fanny Lewald: Jenny, S.302)
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