04 März 2023

Karl May: Der blaurote Methusalem

Irgendwie bin ich einmal an einige Bände der  historisch-kritischen Karl-May-Ausgabe gekommen (1988). Hier zu "Kong-Kheou, das Ehrenwort":

"Die dritte Jugenderzählung Karl Mays wurde erstmals Oktober 1888 bis September 1889 unter dem Titel "Kong-Kheou, das Ehrenwort" in der Zeitschrift "Der Gute Kamerad" veröffentlicht. 1892 wurde der Text dann - bearbeitet - unter dem Titel "Der blaurote Methusalem" als Buchausgabe der "Union Deutsche Verlagsgesellschaft" veröffentlicht."

Inhalt:

 "Der "ewige Verbindungsstudent" Fritz Degenfeld ("Methusalem" ist sein Rufname, das 'blaurot' bezieht sich auf die Farbe seiner Nase) unternimmt mit dem jungen Richard Stein eine abenteuerliche Reise nach und durch China, um dessen kranken Onkel und die verschollene Familie des nach Deutschland emigrierten chinesischen Teehändlers Ye-Kin-Li samt Familienschatz zu suchen. Begleitet werden sie von Degenfelds Faktotum Gottfried von Bouillon und einem riesigen Neufundländer, der immer Degenfelds Bierglas in der Schnauze trägt. Auf der Reise schließen sich ihnen in Hongkong auch der dicke Holländer Mijnheer Willem van Aardappelenbosch und der Kapitän Heimdall Turnerstick an, der behauptet, er könne perfekt chinesisch sprechen, indem er an alle Worte einfach die Endungen -eng, -ing, -ong, -ung anhängt und sich wundert, dass er nicht verstanden wird. Nach vielerlei Abenteuern (Piratenüberfall, Aufdeckung eines Tempelraubes und mehr) wendet sich alles zum Guten und der Blaurote Methusalem hält zusammen mit seinen Freunden, dem inzwischen gesundeten Onkel, der verschollenen Familie des Teehändlers und deren Schatz triumphalen Einzug in die Heimatstadt."

(Karl-May-Wiki)

Aus einem Figurenartikel im Karl-May-Wiki:

Liang-ssi (chinesisch: Gute GeschäfteGutes Geschäft; Milchname: Fuk-ku; Stammesname: Seng-ho; Geschlechtsname: Pang) ist ein chinesischer Kaufmann aus Ho-tsing-ting. Er ist der älteste Sohn von Ye-Kin-Li und Hao-keu sowie der Bruder von Jin-tsianMéi-pao und Sim-ming. Er ist 24 bis 25 Jahre alt. Liang-ssi wurde mit seiner Familie unschuldig verhaftet, konnte fliehen, verlor aber seine Familie aus den Augen.

Er hatte zwar ein ganz ehrliches und vertrauenerweckendes Gesicht; aber er war klein und schmächtig und hatte keineswegs das Aussehen eines furchtlosen Mannes oder gar eines Helden.[1]

Während er für seinen Prinzipal Daniel Stein auf Geschäftsreise ist, wird er von Piraten bei Hongkong gefangengenommen, aus deren Händen ihn der blaurote Methusalem befreit. Nachdem Liang-ssi erfahren hat, dass dessen Chinafahrt seiner eigenen Familie und der seines Arbeitgebers gilt, schließt er sich ihm an.

Im weiteren Verlauf der Handlung findet Liang-ssi seine verschollenen Angehörigen wieder. Als Heimdall Turnerstick und Willem van Aardappelenbosch der Tempelentweihung schuldig werden, eilt er ihnen als erster zu Hilfe:

Der Methusalem [...] bewunderte ihn. Er hatte dem jungen Chinesen, der nur Kaufmann war, diese Kenntnisse, diese Energie und diesen Mut nicht zugetraut. Liang-ssi schien plötzlich ein ganz anderer geworden zu sein.[2]

In Deutschland macht Liang-ssi einen Drogistenhandel auf."


Aus dem Figurenlexikon zu Karl May:

VAN AARDAPPELENBOSCH, WILLEM: Holländer; ehemaliger Besitzer von Tabak- und Reispflanzungen auf Java, die er als fast 45-jähriger verkauft, um in einem anderen Klima ein neues Betätigungsfeld zu suchen. Er »war nicht hoch, aber so dick, daß er wohl seit Jahren seine eigenen Füße nicht hatte sehen können. Sein Körper war ein ungeheurer Fleischklumpen zu nennen, welcher sich nur langsam fortbewegen zu können schien. Das glatt rasierte, runde Vollmondsgesicht glänzte in dunkler Röte ... Er trug Hose, Weste und Jacke von feinem, weißen Linnen. Die letztere war so kurz, daß die gewaltige Halbkugel des Bauches zur vollsten Geltung kam. Die Füße steckten in niedrigen chinesischen Schuhen mit vier Zoll hohen Filzsohlen. Um den Bauch ... trug er eine rotseidene Schärpe, aus welcher der eingelegte, kostbare Griff eines malaiischen Kris hervorblickte. Der Schädel bildete eine einzige große, haarlose Platte, welche kaum halb von einer kleinen, schwarz und weiß karrierten, schottischen Mütze bedeckt wurde, von der zwei lange, breite, ebenso gefärbte Schleifen bis auf den Rücken herabhingen. Zwei lange Flinten, welche sich ... kreuzten, hingen ihm auf dem Rücken. Ueber die beiden Läufe dieser Gewehre war eine schwarze ... Ledertasche gehängt, und in der Rechten trug er einen chinesischen Sonnenschirm von solcher Größe, daß eine ganze Familie unter demselben Platz finden konnte« (56f). A. bedient sich einer breiten holländischen Sprache; bei jeder Gelegenheit bringt er Variationen der Redewendung »Zij zijn een ongelukkige nijlpard« (»Sie sind ein unglückliches Nilpferd«) an; er spricht gut Deutsch, da er als Zwanzigjähriger als Kommis in Köln arbeitete, wo er auch Mitglied des Gesangsvereins ›Lyra‹ war. In Hongkong lernt er den BLAUROTEn METHUSALEM und seine Gefährten kennen, mit denen er Freundschaft schließt und die er auf ihrer weiteren Reise begleitet. Der unbeholfen auftretende, stets nur ans Essen denkende und ungeheure Mengen Lebensmittel vertilgende A. übernimmt in den folgenden Abenteuern meist die Rolle einer komischen, zusätzliche Verwicklungen auslösenden Figur; so macht er sich zusammen mit HEIMDALL TURNERSTICK einer Tempelschändung schuldig. Die andere Seite seines Charakters: »Seine Befangenheit erstreckte sich nur auf private Verhältnisse. Als Kaufmann suchte er seinen Meister« (532) trägt entscheidend zum glücklichen Ausgang des Abenteuers bei. A. entschließt sich, den Ölförderbetrieb des bislang unfreiwillig in China verweilenden DANIEL STEIN anzukaufen, wodurch es Stein möglich wird, zusammen mit seinem Neffen, RICHARD STEIN, und dem Methusalem in die Heimat zurückzukehren. (METHUSALEM: 56-60, 62, 64-72, 79-84, 96-99, 115-20, 130f, 133ff, 137, 161, 196, 268, 317ff, 325f, 333f, 337f, 342ff, 400f, 410f, 427-34, 438f, 456, 462f, 487-92, 494-506, 515f, 523-26, 530-33)

Aus dem Artikel zu Daniel Stein im Figurenlexikon:

 "[...] Daniel Stein findet in Willem van Aardappelenbosch einen Käufer für sein Ölunternehmen und kann mit den übrigen Gefährten in seine alte Heimat zurückkehren, wo er fortan als Rentier lebt."

Zum Text des Buches beim Projekt Gutenberg (Inhaltsverzeichnis)

Da ich Karl May immer noch mit einem Rest von kindlicher Sentimentalität lese, rührt mich inzwischen der aufdringliche Lobpreis Deutschlands und der Deutschen mehr als dass er mir - wie in der Teenagerzeit - auf die Nerven geht. Geradezu nostalgisch berührt mich in der Jugenderzählung 'Der blaurote Methusalem' die naive Freude über den Segen, der von Ölbohrungen für den Unternehmer und seine Arbeiter in sauberen Häusern ausgeht. Auch wenn der Ölgeruch vom Holländer van Aardappelenbosch parodistisch als 'gute Luft' bezeichnet wird und in anderen Werken Mays die Gefahren von Bänden und Explosionen angesprochen wird. Über den menschengemachten Klimawandel konnte May noch nichts Bedeutsames wissen, auch wenn es dazu schon damals erste Berechnungen gab.

Während der blaurote Methusalem noch eher wie die Parodie auf eine Reiseerzählung anmutet, entstand kurz darauf mit Der Geist der Llano estakata ein Roman, der mir als Teenager gut gefallen hat, während mir in den späteren Reiseerzählungen die jeweilige Verkörperung Karl Mays wegen ihres Selbstlobs zunehmend auf die Nerven ging. Trotzdem konnte ich noch als junger Erwachsener nicht recht verstehen, weshalb andere mit Karl May so gar nichts anfangen konnten. 

Eine Sonderstellung nahm in unserem Geschwisterkreis Der schwarze Mustang ein.

Die Opernparodie des Hobble Frank im 3. Kapitel konnten wir damals passagenweise auswendig und haben sie gern zitiert (so kritisch wir sonst manchem "Humor" Karl Mays gegenüberstanden).

"Der Vorhang geht in die Höhe, aber die Haare müssen 'runter! Ich schpiele den Barbier von Sevilla ohne Borschtenpinsel und Seefenschaum, und der Komantsche wird den ›geschundenen Raubritter‹ geben. Beim erschten Offzug singe ich ihn an: ›Reich mir die Hand, mein Leben!‹ und hierauf trägt er die Gnadenarie aus ›Robert und Bertram‹ vor. Dann beginnt der Chor der Rachebrüder: ›Schab, Hobble, schab, der Schopf der muß herab!‹ Sodann fällt er ein: ›Leise, leise, lieber Frank, sonst wird meine Kopfhaut krank!‹ aus dem Freischütz, wenn ich mich nich irre oder wenn sich Weber nich geirrt hat. Am Schluß des erschten Aktes das Terzett: ›Mond, ich grüß dich tausendmal, der Komantsche is nu kahl!‹ Wenn kurze Zeit schpäter der Vorhang wieder in die Sofitten oder in die Lafetten gezogen wird, schtimme ich mit Harmoniumbegleitung an: ›Weint mit ihm des Schmerzes Thräne, fadendünne ist die Strähne!‹ worauf er ganz alleene mit dem Doppelquartett antwortet: ›Weil ich sonsten ohne Hut mich nich sehen lassen kann, lieber Hobble, sei so gut, bind mir die Chinesen dran!‹ Das thu' ich natürlich ooch, weil meine Rolle es so mit sich bringt, und wenn es geschehen is, fallen sämtliche Mitschpieler und Zuschauer mit dem ganzen Orschester in den Lobgesang ein: ›Jubelt laut, ihr roten Brüder, denn die Zöpfe bammeln nieder! Euer Häuptling is entzückt, daß sein Schädel ward geschmückt; führt ihn im Triumph nach Haus, die Komödie is nu aus!‹ worauf das Publikum offschteht und der Vorhang aber niedergeht." (3. Kapitel: Der Ueberfall)

Weil wir den Text in einer Ausgabe kennengelernt hatten, die nicht vom Karl-May-Verlag autorisiert war, habe ich einige Zeit daran gezweifelt, dass der Text wirklich von Karl May stammte. Ich fand ihn zu witzig, die Parodie zu gut gelungen. 

Mehr zur Figur des Hobble Frank hier.

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