20 Juni 2023

Max Frisch: Kleine Prosaschriften (1931-1939)

 Was bin ich (I) und Was bin ich (II) (1932)

Die erste Version wurde an eine Zeitung geschickt, die sie nicht aufnahm, sondern zurücklegte für eine Zeit, wo der Verfasser sich einen Namen gemacht haben werde. Sie wurde also nicht 1932, sondern erst 1948 veröffentlicht.
Die zweite Fassung wirkt zupackender, sie liest sich deutlich besser, wirkt weniger larmoyant. Vielleicht liegt es daran, dass sie im "Zürcher Student" erschien. Mit dem Adressaten hatte Frisch vielleicht einen besseren Zugang und konnte seinen Text genauer adressieren.

Er liebt die Greta Garbo 
ebenfalls 1932, erschienen in der Neuen Züricher Zeitung
Der Sprecher versucht, sich durch seine Liebe zur Greta Garbo zu etwas Besonderem zu machen. Alle müssten ihn beneiden, weil er Greta Garbo liebt. Dass sie ihn liebt, hält er dafür nicht nötig.


Der unbelesene Bücherfreund (1935 in der Neuen Züricher Zeitung, NZZ)
Dieser Text machte mich auf die kleinen Prosaschriften aufmerksam, die in den Gesammelten Werken in zeitlicher Folge im ersten Band veröffentlicht sind. Er beeindruckte mich durch den originellen Zugang: ein Bücherliebhaber, der [manches] nicht gelesen hat.
Der Gedanke ist mir von Goethe vertraut. Im Blick auf den West-östlichen Divan, wo er sich dem persischen Dichter Hafis angenähert hat, (nicht durch Übersetzungen, sondern durch Dichtungen in seinem Geiste) hat er geäußert, China habe er sich "für später aufgehoben".
Der unbelesene Bücherfreund von Frisch klagt darüber, dass die junge Generation schon möglichst viel von der Literatur in Jan jungen Jahren aufzunehmen versucht. Dadurch nehme sie sich die Freude an zukünftigen Entdeckungen.
 Dass der Verfasser dieses Textes nur 24 Jahre alt war, beeindruckte mich. Er nimmt die Position eines älteren Mannes ein, der die Jugend kritisiert, obwohl er ja selbst noch ganz am Anfang steht, was die Texte Was bin ich? sehr deutlich machen.
Sein Problem war damals, dass er sein Studium abbrechen musste und bei der Bewerbung um Stellen, die seiner Begabung entsprachen, keine Praxis vorweisen konnte (oder so gut wie keine Praxis, denn er hatte schon einige journalistische Texte veröffentlicht).

Den Titel des Textes und seinen Einstieg fand ich so originell, dass er mir an die Fragebögen aus seinen späteren Tagebüchern heranzukommen schien. So viel macht der Name aus. Die Redaktion des Schweizerspiegel wusste schon, weshalb sie den Text noch nicht veröffentlichen wollten.
Es gibt also sehr gute Gründe für viele Förderpreise für junge Schriftsteller. 

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