11 Juni 2023

Saint Exupéry: Wind, Sand und Sterne (Auszug)

 Saint Exupéry: Wind, Sand und Sterne (Zitate)

"Er landete morgens um 2:45 Uhr etwa 200 km westlich von Kairo in der Sahara, blieb unverletzt und machte sich zu Fuß auf die Suche nach einer Siedlung. Kurz bevor er verdurstete, stieß er auf Beduinen, die ihn retteten. Diese Erlebnisse inspirierten ihn später zu dem Buch Der kleine Prinz." (Wikipedia)

"Wir hatten nur noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang. Schon als ich Tunis anflog, brauchte ich keine Sonnenbrille mehr. Der Sand wurde golden und die Welt leer, so leer. Befruchtende Flüsse, angenehme Schatten und Heimstätten von Menschen schienen mehr denn je Zufälligkeiten. Welche Massen von Felsen und Land dehnten sich vor uns aus.

Aber dies alles wurde mir fremd und immer fremder. Ich lebte in der Luft und fühlte das Nahen der Nacht. Sie führte uns nach den Regeln eines feierlichen Gottesdienstes in ein Nachdenken ohne Ausweg wie in eine Kirche. Die unheilige Welt verblasste schon und wollte ganz verschwinden. Noch hätte das Land hatte das Land im blonden Abendlicht einen Körper, aber er begann sich zu verflüchtigen. Nichts, aber auch nichts auf der Welt ist so kostbar wie diese Stunde. Alle werden wir zustimmen, die die unerklärliche Leidenschaft für das Fliegen mit mir teilen.

So ist dieses Erlebnis: langsam begebe ich mich der Sonne und der großen Flächen, die mich im Falle einer Notlandung auf genommen hätten. Ich begebe mich der Richtpunkte, die mir einen Weg hätten zeigen können, der Schattenlinien der Berge gegen den Himmel, die mich an drohenden Klippen vorbeiführen konnten. Ich tauche in die Nacht und ziehe meine Bahn. Nur noch die Sterne gehören mir. Ganz allmählich vollzieht sich der Weltuntergang, ganz allmählich schwindet mir das Licht. Himmel und Erde verschwimmen ineinander, als ob die Erde emporstiege und wie Rauch die Luft erfüllte. Die ersten Sterne zittern noch wie durch grünliches Wasser. Erst viel später werden sie zu harten Diamanten, erst sehr viel später kommt zu mir das Sturmspiel der Meteoren. Ich habe Nächte erlebt, in denen ihre Feuergarben so massenhaft fielen, dass es schien, als ob ein schrecklicher Sturm unter den Sternen wütete. - [...]

Die Nacht war herein gebrochen, aber noch nicht die echte. Denn noch schien eine schmale Mondsichel. [...]

Und nun ist auch der Mond gestorben.

Benghasi an der italienischen Mittelmeerküste wurde in der schwarzen Nacht sichtbar. Es lag so abgrundtief in der Dunkelheit, dass seine Lichter keinen Widerschein am Himmel bildeten. So bemerkte ich es erst, als ich schon beinahe über der Stadt schwebte. Ich sah mich nach dem Flugplatz um, und im gleichen Augenblick leuchteten unten die roten Balken auf. Lichter umrahmten ein schwarzes Rechteck. Kerzengerade stand das Licht eines Scheinwerfers zum Himmel empor wie eine Feuersbrunst, schwenkte dann und legte sich lang auf den Boden. Es zeichnete eine breite goldene Linie auf den Flugplatz. Der Nachtdienst an diesem Flugplatz ist wundervoll. Ich drosselte und begann meinen Gleitflug wie eine Tauchfahrt in schwarzes Wasser." (Reclam-Universalbibliothek Nr.7847, S.6-8)

Bald darauf folgt Aufstoßen auf den Kamm einer Düne in der Steinwüste, der zu einer Bruchlandung und zu einem Überlebensmarsch von vielen Tagen ohne Wasser bis ganz kurz vorm Verdursten führt.

"Wir sitzen hier, zum Tode verurteilt, und doch verdirbt mir diese Gewissheit nicht den Genuss. Diese halbe Apfelsine in meiner Hand ist eine der größten Freuden meines Lebens. [...] Jetzt erst begreife ich die Zigarette und den Konjak des zum Tode Verurteilten. Vorher wollte es mir nicht in den Kopf, dass er diese Lappalien annimmt und sichtlich mit Genuss verzehrt. Man sieht gewöhnlich ein Zeichen von Mut darin, dass er lächelt. Dabei hat er nur gelernt, Und macht sich als er in der letzten Stunde noch ein Stückchen Menschenleben.


Wir haben Riesenmengen Wasser gesammelt, an zwei Liter! Es gibt keinen Durst mehr! Wir sind gerettet, wir bekommen zu trinken!
Mit tiefem Jubel schöpfe ich einen Becher aus meinem Tank. Aber das Wasser war gelbgrün und schmeckte schon beim ersten Schluck so entsetzlich, dass ich trotz des quälenden Durstes erst Atem holen musste, ehe ich ihn ganz herunter schluckte. Ich hätte Schlamm getrunken; aber dieser giftige Metallgeschmack war stärker als mein Durst
Ich sah mich nach Prévot um. Er ließ die Augen rundum gehen, als ob er etwas suchte. Plötzlich bückt er sich und erbrach sich, ohne aufzuhören, sich im Kreise zu drehen. Eine halbe Minute später war ich daran. Ich wurde von solchen Krämpfen gepackt, dass ich in die Knie sank und mit in den Sand gekrallten Fingern weiter spuckte. Keiner brachte ein Wort heraus, und eine Viertelstunde blieben wir so an den Boden genagelt, obgleich nur noch ein bisschen Galle kam.
Endlich hatten wir wieder Frieden, und ich fühlte nur noch ein unbestimmtes Übelsein. Aber unsere letzte Hoffnung war dahin." (RUB Nr.7847, S 38/39)

"Wieder wurde uns klar, dass gar nicht wir die / Schiffbrüchigen waren. Das waren vielmehr die Wartenden, die unser Schweigen bedrohte, die ein grässlicher Irrtum in Verzweiflung stürzte. Wir mussten einfach zu ihnen, um sie aufzuklären. Auch Guillaumet erzählte mir nach seiner Rettung, dass er die ganze Zeit Schiffbrüchigen zu Hilfe eilte. Es gilt also wohl für alle.
'Wenn ich niemanden auf der Welt hätte' sagte mir  Prévot , würde ich mich einfach hinlegen. (S.39/40)



Keine Kommentare: