Eurybates an Aristipp
"[...] Nun noch ein Wort von unsrer Freundin Lais. Auch ich nehme an der schönsten und liebreizendsten aller Weiber, die seit der schönen Helena die Männerwelt in Flammen gesetzt haben, zu warmen Antheil, um nicht zu wünschen, daß ich dir die angenehmsten Nachrichten von ihr zu geben haben möchte: aber mit allen möglichen Nachforschungen ist von ihrem dermaligen Aufenthalt und Zustand nichts Zuverlässiges zu erhalten gewesen, wiewohl es an allerlei einander widersprechenden und mehr oder weniger ungereimten Gerüchten nicht fehlt. Ich besorge sehr, die Moiren6 spinnen ihr nicht viel Gutes. So viel scheint gewiß, daß ihr Vorsatz, sich in Thessalien anzusiedeln, nicht zu Stande gekommen ist. Der heillose Mensch, der ihr ganzes Wesen auf eine so unbegreifliche Art überwältiget hat, scheint ihr nicht Zeit dazu gelassen zu[11] haben. Er führte sie wie im Triumph von einer Thessalischen und Epirotischen Stadt zur andern, machte überall großen Aufwand, und verließ sie endlich (sagt man) wie Theseus die arme Ariadne auf Naxos, ohne sich zu bekümmern was aus ihr werden könnte. Sobald ich diese Nachricht aus einer ziemlich sichern Hand erhielt, schickte ich einen meiner Freigelass'nen, auf dessen Verstand und Treue ich rechnen darf, mit dem Auftrag ab, wofern es nöthig wäre ganz Thessalien, Epirus und Akarnanien zu durchwandern, um sie aufzusuchen und Nachrichten von ihr einzuziehen. Learch zu Korinth that eben dasselbe, und unser Vorsatz war, sie, sobald sie gefunden wäre, mit möglichster Schonung ihres Zartgefühls zu bewegen, überall wo sie künftig zu leben gedächte, uns die Sorge für ihre Haushaltung zu überlassen. Aber, wie gesagt, bis itzt ist es unmöglich gewesen auf ihre Spur zu kommen. Wir geben indessen noch nicht alle Hoffnung auf, und sobald wir etwas entdecken, soll es dir unverzüglich mitgetheilt werden. Wenigstens haben wir so viel mit unsern Nachforschungen gewonnen, daß alle über ihren Tod und die Art ihres Todes herumlaufenden Gerüchte bei genauerer Untersuchung falsch befunden worden sind. Mit wie vielem Vergnügen würde ich sie in den Besitz des schönen Witthums wieder einsetzen, wo der edle Leontides ihr auf alle Fälle eine ruhige und angenehme Freistätte gegen alle Zufälle des Lebens zu hinterlassen glaubte! [...]
Wieland: Aristipp, 3.Band 2. Brief
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