Da kam ein groß Gewühl
Aus allen Gauen um Christi Gaben willen,
Um des Mächtigen Schutz. Da wollt ein Meer befahren
Gottes Sohn mit den Jüngern, an Galiläaland hin,
Auf den Wogen, der Waltende. Der Leute Gewühl
Hieß er weiterwandern; mit wenigen stieg
In einen Nachen nur der Nothelfer Christ,
Von der Reis' erschöpft bis zum Schlafe. Die Segel hißten
Wetterweise Männer und ließen vom Winde sich
Über den Meerstrom treiben, bis in die Mitte kam
Der Göttliche mit seinen Jüngern. Da begann des Wetters Kraft:
Im Wirbelwinde stiegen die Wogen,
Nacht schwang sich schwarz hinab, die See kam in Aufruhr,
Wind und Wasser kämpften. Angst erwuchs den Leuten,
Da das Meer so mutig ward. Der Männer versah sich keiner
Längeres Lebens. Den Landeswart alsbald
Weckten sie und sagten ihm von des Wetters Kraft,
Flehten, daß gnädig ihnen der Notretter Christ
Wider das Wasser hülfe, »sonst werden wir qualvoll
Sterben in diesem Sturm«. Da stand vom Lager empor
Der gute Gottessohn und sprach zu den Jüngern:
»Euch darf des Wetters Wut wenig erschrecken:
Wie hat euch Furcht erfaßt? Noch nicht fest ist euch das Herz,
Noch laß*euer Glaube. Nicht lange mehr währt es,
So muß die Strömung stiller werden
Und das Wetter wonnesam.« Da sprach er zu dem Winde
Und zu dem Meer zumal und hieß sie milder
Beide gebaren. Dem Gebot gehorsam
Und des Waltenden Wort, stillten die Wetter sich,
Heiter floß die Flut. [...] (Heliand: Stillung des Meeres)
Weitere Textausschnitte aus dem Heliand
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen