Andern Weg fuhr derweil Mit den Jüngern Johannes, Gottes Amtmann. Er lehrte die Leute langwährenden Rat, Hieß sie Frömmigkeit üben und die Frevel meiden, Mein- und Mordtat, und war manchem lieb Der guten Menschen. Er besuchte den Judenkönig In seinem Hause, den Heerführer, der geheißen war Nach den Eltern Herodes, der übermütige Mann. [...]
Nun war in dem Jahrgang des Judenkönigs Zeit gekommen, der Zählung gemäß Erfahrner Volksmänner, das Fest seiner Geburt, Da er ans Licht gelangt war. So war der Leute Brauch, Daß der Juden jeglicher das begehen sollte Und fröhlich feiern. Da ward in dem Festsaal Eine mächtige Menge der Mannen versammelt Und der Herzoge, im Hause, wo der Herr saß Auf dem Königstuhle. [...] In der Lust überlegte der Landeshirt, Was er die Wonne recht zu mehren gewährte. Da ließ er kommen die kecke Dirne, Seines Bruders Erzeugte, wo er zechfroh saß Auf der hohen Bank. Da hub er zu ihr an, Sie vor den Gästen grüßend, begehrte dringend, Daß sie vor den Tischgenossen zu tanzen begänne, Über dem Estrich schwebend. »Laß uns alle schauen, Was du gelernt hast, der Leute Menge Zu erfreuen beim Festmahl. Und erfüllst du die Bitte, Mein Gesuch hier im Saale, so versichr ich dir wahrhaft Laut vor den Leuten, und leist es auch so, Ich will dir willig alles gewähren, Was du von mir forderst vor den Festgenossen. Und heischtest du die Hälfte meiner Herrlichkeit, Meines Reiches hier, der Recken keiner sollt es Mit Worten wenden, ich würd es gewähren.« So ward der Magd das Gemüt geworben, Das Herz ihrem Herrn, daß sie im Hause dort Zu tanzen begann vor der Gäste Bänken, Wie es der Leute Landweise brachte, Der Juden Sitte. Die Jungfrau sang Und hüpfte in dem Hause, daß das Herz erfreut ward, Im Gemüt die Männer. Als das Mädchen nun Dort zu Danke gedient dem Fürsten Und all der Gesellschaft, die versammelt war Von Gästen im Gastsaal, da begehrte die Gabe Die Magd vor der Menge. Mit der Mutter sprach sie Und fragte sie zuvor geflissentlich, Was sie von dem Burgherrn erbitten sollte: Die unterwies sie, ihrem Wunsch gemäß, weiter nichts Zu begehren vor den Gästen, als daß man des Johannes Haupt ihr brächte in die festliche Halle, Vom Leibe gelöst. Das schuf den Leuten Harm, Im Gemüte den Männern, als die Magd das sprach. Auch den König kümmert' es; doch konnt er sein Geheiß, Sein Wort nicht wenden. Er hieß seinen Waffenträger Aus dem Gastsaal gehn und den Gottesmann Des Lebens erledigen. Unlange währt' es da, Bis man in die Halle das Haupt brachte Des Volksfreundes und es vor die Dirne trug, Zu der Magd in der Menge: die bracht es der Mutter. So endete von allen Erdenmännern Der weiseste wohl, der in die Welt gekommen, Des je eine Frau zu Kind sich erfreute, Vom Ehmann die Ehfrau; der eine zählt nicht her, Den die Magd gebar, die vom Manne nie In der Welt gewußt: nur der waltende Gott Von der Himmelsau durch den Heiligen Geist Hatt ihn ausgegossen: seinesgleichen hat er nicht, Vorher noch nachher. Volksmänner drängten Sich um Johannes, seiner Jünger Menge, Ein selig Gesinde: im Sande begruben sie Des Geliebten Leiche und wußten, daß er Gottes Licht, Entzückende Himmelsluft mit dem Herrn zusammen Genießen dürfe und die Heimat droben, Ein Seliger, suchen. – Da schieden die Gesellen, Johannes' Jünger, jammermütig, Die heiligen Seelen, um ihres Herren Tod In schmerzlichen Sorgen. Zu suchen gedachten sie Weit in der Wüste des Waltenden Sohn, Den kraftreichen Christ, um ihm kundzutun Des Gottesmannes Hingang, wie der Judenkönig Mit des Schwertes Schärfe dem seligsten der Männer Das Haupt enthauen. Nicht harmvoll sprach darum Der Sohn des Herrn: er wußte die Seele Heilig aufbehalten wider die Hassenden, Befriedet vor den Feinden. [...] (Heliand: Enthauptung Johannes des Täufers)
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