Meine Mutter hat mich durch die parodistische Wiedergabe einer Vorstellung von "Rheingold" gegen Wagners Operntexte relativ gut immunisiert. Das hielt durch, bis wir im Musikunterricht die "Meistersinger" durchnahmen. Hier fehlten die krampfhaft altertümelnden Alliterationen, die ziemlich erfolglos Stabreime zu imitieren suchten, statt dessen fanden sich relativ frei gehandhabte Reime. Die Musik kam für mich nicht ganz an den "Freischütz" heran, aber sie gefiel mir in Teilen durchaus, weil sie nicht so bombastisch daher kam, wie manches, was ich sonst von Wagner gehört hatte.
Ganz hervorragend gefiel mir eine Tannhäuserparodie, die ich im Rundfunk hörte.
Im Ohr habe ich noch: "Wolfram [oder: -gang] von Dreschenbach beginne!" und die Aufforderung an Tannhäuser: "Fort zur Zukunftsmusik!"
Ich habe von damals Nestroy als Verfasser in Erinnerung. Die vermutlich ursprüngliche Parodie von Hermann Wollheim, der einzige Text, den ich im Internet gefunden habe, Tannhäuser oder die Keilerei auf der Wartburg erscheint mir im Vergleich zu meiner Jugenderinnerung mit seinem "Wolfram von Gröschelbach" dem gegenüber merkwürdig platt.
Nach Teilen von Fernsehaufführungen von Lohengrin und einer ziemlich vollständig mitverfolgten Fernsehaufführung von Parsifal sind meine Vorurteile abgeschwächt. Und heute lässt mir ein (nach 2022) erneuter Blick in die Götterdämmerung sogar ganze Passagen daraus passabel erscheinen. Dabei mag Herfried Münklers Marx Wagner Nitzsche eine wichtige Rolle gespielt haben, da Münkler Wagner als einen politischen Autor, der sinnvoll mit Marx und Nietzsche verglichen werden kann, vorgestellt hat.
Zwar Antisemit, aber Kunstrevolutionär mit einem ernsthaften Programm, so sehr es einem missfallen mag.
Wenn mir wieder einfällt, welche Melodie von Wagner meine Mutter auf die Worte "Herr Graf, das Schaf ist ins Wasser gefallen" vorzustellen liebte, will ich es hier vermerken.
Fontannes folgende briefliche Kritik an Wagner halte ich inzwischen für etwas zu scharf:
"Er [Wagner] ist, aller glänzenden Rekapitulationen unerachtet, doch in einer totalen Konfusion steckengeblieben; deshalb steckengeblieben, weil er sich eine Aufgabe stellte, die entweder überhaupt nicht zu lösen war oder für die wenigstens seine Kräfte, so respektabel sie an sich an und für sich waren, nicht ausreichten.
Und welches war nun diese Aufgabe? Die Verschmelzung zweier Sagen oder Fundamentalsätze, von denen jeder einzelne gerade Schwierigkeiten genug bot. Erster Fundamentalsatz: An der Gier, an dem rücksichtslosen Verlangen hängt die Sünde, das Leid, der Tod. Wer den Goldring der Nibelungen hat, der hat ihn immer nur zum Unheil und Verderben. Zweiter Fundamentalsatz: Die Götter sind gebunden und regieren nur durch Vertrag. Auch dem Himmel kann gekündigt werden. Wächst der Mensch, so sinken die Götter; der eigentliche Weltenherrscher ist der freie Geist und die Liebe. [...] Satz 1 ist die alte Evageschichte, sündiges Verlangen und die bekannten Konsequenzen. Satz 2 hat durch Feuerbach einen viel prägnanteren und viel geistreicheren Ausdruck empfangen:
"Ob Gott die Menschen schuf, ist fraglich; dass sich die Menschen ihren Gott geschaffen, ist gewiss." "
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