Fritz Reuter hat die sieben Jahre Festungshaft im Alter von 22 bis 30 Jahren, wo in einer Normalbiographie Ausbildung und eine gewisse Ungebundenheit zwischen der Bindung an die Herkunftsfamilie und der Gründung einer eigenen liegt, als traumatisierend erlebt. Die Begnadigung vom Todesurteil zu 30jähriger Festungshaft bedeutete für ihn das Ende aller bisherigen Lebenspläne. Was für eine Karriere kann sich ein angehender Jurist im Gefängnis versprechen?
Als er in der Freiheit nach einer Zeit als landwirtschaftlicher Volontär dann Lehrer wurde und sich an schriftstellerischen Arbeiten versuchte, hat er schon bald auch seine Festungszeit behandelt und bezeichnenderweise unter dem Titel "Eine heitere Episode aus trauriger Zeit" schon gleich humoristisch anzugehen versucht.
Doch die künstlerische Form, die ihm ermöglichte, zugleich den Gefährten und verständnisvollen Helfern dieser Jahre ein Denkmal zu setzen als auch die unbarmherzige Härte zu schildern, mit der der Staat die Mitgliedschaft in einer Burschenschaft bestrafte, die offen für Demokratie eintrat, fand er erst, als er sich die niederdeutsche Sprache als Literatursprache erarbeitet und mit Ut de Franzosentid ein Meisterwerk in dieser Sprache geschaffen hatte.
Ganz bewusst schildert er nicht die Festungshaft insgesamt, sondern greift Zeiten heraus, die ihm die doppelte Aufgabe ermöglichen, Dank abzustatten und die Entbehrungszeit ins Humoristische zu wenden.
Wer sich an die Lektüre dieses Werkes in mecklenburgischem Plattdeutsch machen will (Reuter schrieb nicht im Dialekt seiner Vaterstadt, sondern in einer von ihm geschaffenen mecklenburger Allgemeinsprache), kann - wenn Plattdeutsch ihm noch fremd ist - mit kürzeren Texten anfangen, etwa mit dem Hochzeitsspiel Rieke und Dürth oder ein paar Abschnitten aus Ut mine Stromtid, denen Verständnishilfen beigegeben sind. Dann ist manche(r) wohl schon so weit sein, sich von selbst einlesen zu können. Doch bietet Gutenberg.de in der Internet-Ausgabe von De Reis nah Konstantinopel,
eine weitere Lesehilfe. Denn hier sind alle grau unterlegten Passagen mit Übersetzungen versehen, die beim Überfahren mir der Maus angezeigt werden.
Nach solchem Einlesen hat man vielleicht gar keinen Gefallen mehr an den hochdeutschen Übersetzungen von Aus der Franzosenzeit, Aus meiner Festungszeit und Das Leben auf dem Lande, die es natürlich auch gibt.
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