Um nicht der Uebertreibung beschuldigt zu werden, theilen wir mit, was in einem Modejournal von 1791 aus Paris berichtet wird. »Wie sonst jeder feine Herr seine bilboquets sowol als sein vademecum in der Tasche führte, und jede Dame von gutem Ton ein solches im Arbeitsbeutel hatte, so ist jetzt das
joujou de Normandie der unzertrennliche der vornehmen sowol als der gemeinen Welt. Der Prinz bis herunter auf den Handwerksburschen, die Dame vom ersten Range bis herunter auf das Bürgermädchen, der Greis wie der Knabe spielt sein joujou, so oft er Lust und Weile hat, in Gesellschaften, auf Promenaden, im einsamen Zimmer. Die Engländer bezeigen sogar eine besondere Fertigkeit, dasselbe im Reiten zu spielen, nach allen Seiten zu werfen und wieder zu fangen.«
Im März des folgenden Jahres klagte man aus Berlin: »Man habe über das joujou alles vergessen und vernachlässigt, man trage noch Kleider von alter Farbe und altem Schnitt, Cravatten wie vor einem Jahre, und der Hut werde von den Damen ohne Sorgfalt und Geschmack auf den Kopf geworfen, um nur schnell wieder zum joujou greifen zu können.«
In Heustedt hatte man erst im Mai 1792, als das Schloß von der Gnädigsten und ihrer Gesellschaft bevölkert wurde, das Joujou gesehen, allein außerhalb der Kreise des Schlosses war das Spielwerk noch nicht gedrungen, obgleich verschiedene Damen Bestellungen in Hannover und Bremen gemacht hatten. Frau Landräthin von Vogelsang und ihre beiden schönen Töchter, die achtzehnjährige Ida und die sechzehnjährige Adelheid, hätten wer weiß was dafür gegeben, wenn sie früher als die Baronin von Bardenfleth mit ihren Töchtern Mimona und Adele und Rosa in den Besitz eines solchen Joujous gekommen wären. Auch die Amtmännin und Amtsschreiberin, die Forstschreiberin und Bürgermeisterin hatten schon vergebliche Anstalten gemacht, so ein Ding, das sich von selbst in die Höhe bewegte, zu erhalten. [...]
Ein allgemeines Ah! empfing ihn. »Lassen wir das, nur neueste pariser Mode von meinem Leibschneider«, sagte er nachlässig. »Was aber ist in diesem Korbe?« Man rieth hin und her, vergebens. »Meine Herren, mir ist der große Wurf gelungen, mit meinem Anzuge von Hamburg ein Dutzend der neuesten Façons von Joujous zu erhalten. Mit gnädigster Erlaubniß des Herrn Landraths und Herrn Barons von Bardenfleth werde ich mir die Freiheit nehmen, dero Gemahlinnen ein Exemplar dieses allerliebsten Spielzeugs zu verehren; die übrigen stehen der Gesellschaft zu Gebote, der Preis ist an jedem Stück notirt, von 20 bis 48 Schilling.«
Die Gesellschaft, mit Ausnahme des Amtmannes und Karl Haus, fielen über den Korb her, als wären Goldschätze darin. . . . »Das Joujou«, fuhr Lübrecht mit Wichtigkeit fort, indem er seinen Hut aufsetzte, den Knittel in die linke Hand nahm, den Zeigefinger der rechten Hand in die Schlinge an der Litze eines Joujou steckte und dieses auf und abrollen ließ, was indeß noch einige Ungeübtheit zeigte, »ist eine Erfindung der Normandie, durch die Emigranten in Deutschland verbreitet, weshalb es auch den Namen Emigré führt. Wenn pariser Jakobiner damit spielen, geschieht es nie, ohne daß sie dabei ça ira, ça ira singen.«
»Bitte um Verzeihung«, unterbrach Karl, »das Joujou ist eine ostindische Erfindung, es wurde erfunden, der Tochter des Nabobs Seradscha Daula zu Murschidabad Belustigung zu gewähren; ein vornehmer Offizier brachte es nach England und schenkte es dem Prinzen von Wales, welcher sich, um seine schönen Hände zu zeigen, so sehr in das Spielzeug verliebte, daß er vom Morgen bis zum Abend damit spielte, wenn Mistreß Fitzherbert nicht etwa ein anderes Spiel vorzog. Als er zum ersten mal aus seiner Loge in dem neuerbauten Coventgardentheater sein Joujou in das Orchester hinabspielte, ward die Aufmerksamkeit aller von Hamlet ab und dem Prinzen zugewendet, dem man diese Unverschämtheit als Genialität anrechnete, und das Ding, mit dem er spielte, the Prince of Wale's toy nannte, von dem man am dritten Tage zehntausend Stück in London verkauft hatte. Ein Engländer zeigte mir in Göttingen eine Caricatur . . . ein junger Mann, den man leicht erkannte, lag trunken im Schose der Mistreß Fitzherbert und spielte mit dem Joujou.«
Inzwischen hatten die alten Herren mit ihren dünnen langen Zöpfen und die jüngern Herren mit ihren kurzen dicken Zöpfen sich sämmtlich bis auf Steinbart von ihren Plätzen erhoben und versuchten mehr oder weniger geschickt das Joujou zum Aufsteigen und Fallen zu bringen. Es war ein komischer Anblick. Aller politische Hader war vergessen. Karl selbst hatte von dem Hofmeister des Prinzen Ernst in Göttingen, der des Spiels bald überdrüßig geworden, ein sehr fein gearbeitetes Joujou, in welchem drei Federn künstlich in schwarzes Ebenholz eingelegt worden, zum Geschenk erhalten. Er zog dies jetzt aus seiner Tasche und zeigte sich als Meister in der Kunst, denn er konnte das Joujou nach oben in der Luft sich entrollen lassen, um es vor dem gänzlichen Abrollen nach unten zu drehen und wieder in die Höhe steigen zu lassen.
Heinrich Oppermann: Hundert Jahre, 2. Buch, 4. Kapitel
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