Die Underground Railroad ist keine Fiktion. Es gab eine Einrichtung von Fluchthelfern, die schwarzen Sklaven die Flucht von den Plantagen der Südstaaten in die Nordstaaten erlaubte.
Colson Whiteheads Roman The Underground Railroad ist freilich fiktional. Um den historisch belegten Umständen der Sklavenhaltung und den Problemen bei der Flucht ein wenig von dem Bedrückenden zu nehmen, die der Realität anhaften, hat Colson Whitehead eine reale Untergrund-Eisenbahn mit gut getarnten unterirdischen Bahnhöfen erfunden, die eine Art rückwärts gewandte Utopie darstellen. Denn vieles an Ungerechtigkeiten aus der Sklavenhalterzeit lebt ja noch fort. Die Tötung von George Floyd, die ja nicht ein heimtückischer Angriff eines einzelnen Mörders war, sondern ein mittelfristig unvermeidbarer "Unfall" in einem legalen (nicht legitimen) Unterdrückungssystem, beweist es.
Whiteheads Roman wurde die Vorlage einer Fernsehserie, die sei Mai 2021 zu sehen ist und ähnlich wie 1978/79 Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiss durch Ausstrahlung im Fernsehen wesentlich dazu beigetragen hat, dass ein traumatisierendes historisches Geschehen nachfühlbar gemacht wurde.
Frank Bösch hat in "Zeitenwende 1979" diese Serie über den Holocaust als einen Beleg für eine "Gewandelte Geschichtskultur" (S.393-95) gesehen. "Über zwanzig Millionen, die Hälfte der Bundesbürger über vierzehn Jahre, sahen zumindest eine Folge, ein Voertel sogar alle vier. Alle Bildungs- und Altersgruppen saßen vor dem Bildschirm, lediglich die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen war leicht überrepräsentiert." (S.382)
Es steht zu hoffen, dass die Fernsehserie Underground Railroad der Verarbeitung des Stoffs durch Whitehead zu einer ähnlichen Breitenwirkung verhilft, wie 1979 mit der Serie Holocaust gelungen ist. Die Rezeption durch die Kritik gibt jedenfalls Anlass dazu.
Interview mit Colson Whitehead unter anderem über seinen neusten Roman Harlem Shuffle in der Frankfurter Rundschau vom 24.8.21
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