22 Juni 2022

Psalmen Salomos

Die bittere Frucht des Makkabäerkriegs.

1

1 Ich schrie zum Herrn in meiner äußersten Drangsal,
zu Gott, als Sünder [mir] zusetzten[1].
2 Plötzlich drang mir Kriegsgeschrei in die Ohren;
’ich sprach‘: Er hört mich[2], weil ich voll Gerechtigkeit bin.
3 Ich bildete mir ein, ich sei voll Gerechtigkeit,
weil ich Glück hatte und reich an Kindern ward[3].

[131]

4 Ihr[4] Reichtum erfüllte alle Welt,
und ihr Ruhm [drang] bis ans Ende der Erde.
5 Sie stiegen hinauf bis zu den Sternen,
dachten, sie könnten nicht zu Falle kommen.
6 Sie wurden übermütig in ihrem Glück
und konnten es nicht ertragen.
7 Ihre Sünden [geschahen] im Verborgenen,
und ich wußte es nicht.
8 Ihre Greuel [gingen] über die Heiden vor ihnen[5];
sie haben das Heiligtum des Herrn schändlich entweiht.

  1.  Die Drangsal ist die Not, in die die jüdische Gemeinde durch den Angriff der syrischen Könige auf ihre Religion gebracht wird. Die „Sünder“ sind somit die heidnischen (vgl. z. B. 2,1. 2, auch Gal. 2, 15) Syrer, und der Krieg von V. 2 ist nichts anderes als der makkabäische Aufstand. Das redende Subjekt ist die fromme Gemeinde, bezw. die pharisäische Partei im Namen der Gemeinde.
  2.  ἐπακούσεται. Lies dafür mit M. Schmidt: εἶπα ἀκ. oder besser mit v. Gebhardtεἶπα ἐπακ.
  3.  Das V. 2b Gemeinte stellt sich nachträglich als bloße Einbildung heraus: dem Glücke des Siegs folgt die bitterste Enttäuschung der Frommen. Die Hasmonäer, das durch die makkabäische Erhebung emporgebrachte WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt Herrschergeschlecht, und ihr (sadduzäischer) Anhang sind zwar Juden und konnten deshalb die Frommen lange über ihr wahres Wesen täuschen (V. 7), aber in der That sind sie voll heidnischer Sitten und treiben es schlimmer als die Heiden selbst (V. 8). In Wahrheit sind sie somit eine Gefahr für die Gemeinde. Vgl. auch 8,1-6.
  4.  Gemeint sind hier und im Folgenden die „Kinder“ Judas von V. 3 — natürlich nicht die Gesamtgemeinde, wohl aber eine starke und vielfach maßgebende Richtung in ihr.
  5.  Dieses πρὸ αὐτῶν kann nur zeitlich gemeint sein, nicht = neben ihnen, um sie (ἐνώπιον). Es liefert damit den endgiltigen Beweis, daß der Ps. auf Herrscher oder Gewalthaber jüdischen Geschlechts geht, die es schlimmer treiben als die Heiden (Seleuciden), die früher die Gewalt innehatten.

Wikisource Psalm 1 in: Psalmen Salomos (Dort finden sich auch die Psalmen 2-18.)


vgl. auch:

Paul Rießler: Jüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel 

1. Psalm: Der Hasmonäer Frevel

1. Ich schrie zum Herrn in meiner höchsten Not,

zu Gott beim Angriffe der Sünder.

2. Es tönte Kriegsgeschrei mir in den Ohren; ich sprach: 
Er hört mich, weil ich von Gerechtigkeit erfüllt.
3. Ich bildete mir ein, ich wäre von Gerechtigkeit erfüllt, 
weil’s mir so gut gegangen, 
weil ich so reich an Kindern war.
4. Ihr Reichtum war in aller Welt bekannt;
bis zu der Erde Ende drang ihr Ruhm.
5. Bis zu den Sternen stiegen sie empor;
sie dachten, nie zu Fall zu kommen.
6. So wurden sie in ihrem Glück übermütig
und konnten's nicht ertragen.
7. Doch im Verborgenen geschah in ihrer Sünden;
ich wusste nichts davon.
8. Doch ihre Greuel gingen über die der Heidenwelt vor ihnen,
und sie entweihten grauenhaft das Heiligtum des Herrn.
(S.881)
[...]

Zu den Psalmen Salomons
Die 18 Lieder gaben ein treues Bild der religiösen Stimmung innerhalb des palästinensischen Judentums der letzten Zeit vor Christi Geburt. Sie stammen aus pharisäischen Kreisen 
(siehe 9,4 freie Wahl vgl. Jos. Ant. XIII 5,9 "Die Pharisäer behaupten, nicht alles sei des Geschickes Werk; bei einigem stehe es vielmehr bei uns, ob es geschehe oder nicht. Die Essener lehren, das Geschick leite alles.") Ihre Ursprache war hebräisch oder aramäisch (Kautzsch, Pseudepigr. II 1903 127 ff DLZ V 1902. R.H.Charles  Pseudepigr. II 1913, S.625ff).
[Psalm] 1 1 Ich = die jüdische Gemeinde. Sünder = die heidnischen Syrer unter Antiochus Epiphanes und den späteren Seleukidenkönigen
(S.1322)





Keine Kommentare: