"Ich bin in einer Burg geboren. Dies bedeutet jedoch keineswegs, daß ich von einem adligen Geschlecht abgestammt sei. Mein Vater war zur Zeit meiner Geburt Schulmeister in Liblar, einem Dorfe von ungefähr 800 Einwohnern, auf der linken Rheinseite, drei Stunden Wegs von Köln gelegen. Sein Geburtsort war Duisdorf bei Bonn. In frühster Kindheit hatte er seine Eltern verloren und war der Sorge seines Großvaters anheimgefallen, der dem Bauernstande angehörte und auf einem kleinen Ackergütchen Getreide, Kartoffeln und ein wenig Wein zog. So wuchs mein Vater als ein eigentliches Bauernkind auf. [...]
[Befreiung Kinkels]
Die erste zu erwägende Frage war, ob es möglich sein werde, Kinkel mit Gewalt zu befreien. Ich überzeugte mich bald, daß es eine solche Möglichkeit nicht gebe. Die bewaffnete Besatzung des Zuchthauses bestand zwar nur aus einer Handvoll Soldaten und den wachthabenden Gefängnisbeamten. Es wäre daher einer nicht gar großen Zahl entschlossener Leute möglich gewesen, das Zuchthaus mit gewalttätiger Hand zu stürmen, hätte es nicht inmitten einer starken, mit Soldaten gefüllten Festung gelegen, wo das erste Alarmsignal eine überwältigende Macht augenblicklich auf den Platz gebracht haben würde. Ein solches Beginnen war also hoffnungslos. [...] Auf alle Fälle schien es geraten, zuerst zu versuchen, ob nicht eine oder mehrere der Zuchthausbeamten zur Mithülfe gewonnen werden konnten. [...]
Bevor er seine Axt schwang, hatte er die beiden dicken Zellentüren sorgfältig hinter sich verschlossen. Der Schall der Schläge, welcher das Innere der Zelle hatte erdröhnen machen, war durch die dicken Zwischenmauern und die schwere Doppeltüre nur sehr gedämpft nach außen gedrungen. Er hatte nicht allein keinen Schläfer geweckt, sondern sogar die Wachenden entweder gar nicht erreicht, oder auf sie den Eindruck gemacht, als wäre das Geräusch von außerhalb gekommen.
Nun verließ Brune mit Kinkel die Zelle, deren Türen er wieder verschloß. Dann hatten sie durch Korridore zu gehen und Treppen zu steigen und, in gedeckter Stellung wartend, sogar einen Nachtaufseher, der nicht im Geheimnis war, an sich vorbei passieren zu lassen. Endlich gelangten sie auf den Söller und an die Dachluke, von welcher die gefährliche Luftfahrt abwärts unternommen werden mußte. Kinkel gestand mir, daß ihn ein schwindelndes Grauen erfaßte, als er von oben auf die tief unten liegende Straße blickte und dann auf das dünne Seil, das ihn tragen sollte. Aber als er mein Feuersignal aufblitzen sah, das Brune ihm flüsternd erklärte, gewann er schnell seine Fassung wieder und schwang sich über den Abgrund. Sofort begannen die durch das Seil gelockerten Dachschiefer und Mauerziegel ihm um den Kopf zu regnen, aber keiner traf ihn. Nur die Hände, die zuerst das Seil zu hoch gegriffen, und durch die er es mußte rutschen lassen, litten schwer. Aber das war eine leichte Wunde für so harten Kampf und so großen Sieg. [...]
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