Der Unermüdliche hatte in mancher Nachtstunde, wenn er sich in Maximus müde geforscht, durch Abwechslung Erholung suchend, über allerlei Verbesserungen der althergebrachten Geschütze und Geschosse nachgesonnen. Und einzelne der von ihm eingeführten Neuerungen an Ballist, Skorpion oder »Wildesel« (Onager) und an Widder, Katapult und »Hämmerlein« (malleolus) – eine Art von hohlen Brandpfeilen – wurden von den römischen Heeren dauernd beibehalten, noch lange nach dem Tode des sinnreichen Erfinders. [...]
Damals erfüllte der Name Julians die Perser mit solchem Schrecken, daß er von ihren Malern dargestellt wurde als ein rasender Löwe, aus dessen aufgerissenem Rachen ein allverzehrender Feuerstrom sprühte. [...]
Julian hatte sich richtig erinnert, daß Trajan bei seiner Belagerung von Ktesiphon einen Kanal vom Euphrat in den Tigris oberhalb der beiden Städte gezogen hatte. Dieser lag seit langem verschüttet und versandet, aber durch die Arbeit von dreißigtausend Händen, unter Julians unermüdlicher Anspornung und Mitwirkung, ward der Wasserlauf in wenigen Tagen wieder befahrbar gemacht. Und zum Entsetzen der Perser und Assyrer auf den Wällen der Festen rauschte die Römerflotte triumphierend auf dem erneuerten Kanal vom Euphrat in den hoch aufschäumenden Tigris. Julian stand in vollem Schmuck und Gewand des Imperators am Bugspriet der vordersten Triere und brachte, unter einem Hagel von Perserpfeilen, den beiden Stromgöttern einen Weiheguß aus goldener Schale dar, die er, von ihm selbst gedichtete griechische Verse sprechend, schließlich in die Fluten des Tigris warf. [...]
Heer und Flotte waren nun oberhalb der Zwillingsburgen vereint. Jetzt galt es aber, das Landheer auf das nordöstliche Ufer des Tigris zu schaffen. Auch diese Aufgabe schien unlösbar. Denn nun war endlich ein Perserheer, ein ungeheures, eingetroffen, entschlossen, nicht so sehr Ktesiphon zu entsetzen als vielmehr der Einschließung zuvorzukommen, indem es den Römern bereits das Überschreiten des Tigris verwehrte. Der Übergang mußte also durch Gefecht erzwungen werden; das aber schien unmöglich.
Der Strom ist hier sehr breit und sehr reißend, die Nordostufer, von schlüpfrigem Lehm, fallen steil, fast senkrecht ab; die ganze Linie war in wochenlanger Arbeit durch starke Schanzen gekrönt worden. Und auf und hinter diesen Schanzen standen einhundertsechzigtausend Perser, erlesene Bogenschützen aus Karduchia, Panzerreiter, ein Wald von Speeren des Fußvolks und hundertachtzehn Kriegselefanten, die, sagt ein Zeitgenosse, ein Feld voll Gerste oder voll Legionen mit gleicher Ruhe und Verläßlichkeit zerstampften. Ein Brückenschlag angesichts solcher Abwehr war ausgeschlossen, ebenso eine Landung der tiefgehenden Kriegstrieren an den flachen Ufern. Niemand wußte Rat; auch Julian schien diesmal betreten. Er schalt über die schlechte Verpackung der Vorräte auf den Flachbooten und befahl, achtzig solche zu entlasten, den Zustand des ausgeladenen Getreides zu prüfen. Zugleich hielt er vor den Mauern von Koche, die Aufmerksamkeit der Feinde abzulenken, glänzende kriegerische Spiele, auch einen Schwerttanz seiner Germanen, zum Staunen der Asiaten.
Am Abend lud er alle Befehlshaber in sein Zelt zur Tafel, und als er sie eine Stunde vor Mitternacht entließ, eröffnete er ihnen, daß um Mitternacht das Heer den Strom überschreiten werde. Schreck befiel die Kühnsten; Severus, Jovian wagten zu mahnen. Aber Julian sprach: »Sieg und Rettung liegen in dieser Stunde. Jeder Aufschub verstärkt den Feind! Vorwärts! Stellt eure Scharen!«
Eine Fackel, um Mitternacht in hohem Bogenschuß in den Strom geworfen, gab das Zeichen. Fünf jener Flachboote, besetzt von Legionären, stießen ab; in lautloser Stille stand das Römerheer unter dem Schutz der Nacht dicht an dem Strom. Plötzlich flammte drüben auf dem Nordufer ein gewaltiges Feuer auf, und lautes Geschrei drang herüber. Julian erschrak bis ins tiefste Herz. Er begriff recht wohl, seine kühnen Schifflein waren vom Feind entdeckt und mit Feuerpfeilen in Brand gesteckt worden.
Aber rasch faßte er sich und rief: »Seht das Zeichen, das ich den Unsern befahl! Sie sind gelandet, haben die Uferhöhe erklommen. Nach! Alle nach!«
Sofort rauschten alle Schiffe in die Flut, auch die zur Landung nicht bestimmten. Denn der Widerstand von so viel tausend Kielen sollte die Gewalt der Strömung brechen für alle – und sie brachen diese auch! Die flachergehenden Boote erreichten das Nordostufer noch gerade recht, um ihre verwegenen Vorläufer herauszuhauen. Zwar war das Erklimmen der steilen Ufer in der schweren Rüstung, in einem Hagel von Wurfspeeren, Pfeilen, Feuerbränden und Steinen ein hartes Stück Arbeit, aber das leichte Fußvolk der Germanen, geführt von Julian selbst, erkletterte zuerst den Höhenrand und hielt da oben das mörderische Gefecht so lange, bis die Massen, zuletzt auch die schweren Legionäre der Jovianer und der Herculianer, nachdrangen und nun das ganze Römerheer enggeschlossen, Mann an Mann, in eherner Reihe auf die Feinde traf.
Diesem Anprall hielten Perser und Parther, Araber und Assyrer nicht stand. Zumal als ihre Elefanten, scheu geworden durch die ihnen entgegengeschleuderten Feuerbrände, kehrtmachten, ihre Führer abwarfen und nun die Reihen des eigenen Fußvolks, laut trompetend, mit wild geschwungenen Rüsseln niederstampften. Da war's zu Ende.
Nur wenige der Elefantenhüter behielten bei der Wut ihrer Tiere die Ruhe und den Mut, die Weisung auszuführen, die sie alle für diesen Fall erhalten hatten, dem wild rasenden Elefanten den scharfen Lenkstachel in den obersten Rückenwirbel zu stoßen, wodurch das riesige Untier sofort getötet werden kann.
In wilder Flucht entschart, jagten die vielen Zehntausende, der Surenas zuerst und dann der Emir der Ghasaniden, das Ufer entlang stromabwärts. Bis vor die Tore von Ktesiphon hieben sie nach, die verfolgenden Reiter des Siegers Julian.
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