Allein nun verdunkelte sich der Himmel für den so siegessicheren Imperator.
Denn während das Heer, froh der erfochtenen Siege, voll Vertrauen auf den erfolggekrönten Führer, verschwenderisch schwelgend in dem Überfluß von erbeuteten und mitgeführten Vorräten, in freudigster Stimmung und Hoffnung sich wiegte, schickte der Feldherr Boten über Boten nach Norden aus, gegen Nisibis. Ja, er selbst ritt, von Ungeduld, von Hast getrieben, gar oft allein auf der Straße nach jener Richtung aus, den sehnlich erwarteten Nachrichten entgegen.
Eines Tages traf er hier auch wirklich auf einige Reiter, denen er sofort ihre Briefe aus den Händen riß. Er las sie sogleich, auf der Straße, im Sattel, fuhr erbleichend zusammen und jagte spornstreichs in das Lager zurück. Hier wies er die Freunde, die seine Verstörung bemerkten, mit einer Handbewegung ab und verbrachte den Abend und die Nacht durchwachend, allein in seinem Zelt, wohin ihm Oribasius alle Straßenkarten von diesen Landschaften bringen mußte.
Am anderen Morgen beschied er die Führer zu sich. Sie fanden ihn mehr angegriffen als eine durchwachte Nacht allein bewirken konnte; hatte er doch schon gar manche bei den Büchern verbracht. Matt, klanglos tönte seine Stimme, als er begann: »Die Belagerung von Ktesiphon ist aufgehoben. Der Feldzug ist gescheitert. Das Heer tritt den Rückzug an.«
»Das wolle Gott nicht!« rief Jovian erschrocken. »Die Götter haben es leider schon gewollt«, erwiderte Julian bitter. »Was ist geschehen? Was zwingt dich?« fragten die Feldherren durcheinander. »Verrat. Höllischer Verrat. Selbstverständlich die Galiläer! Hier. Lest diese Briefe! Ich fing sie gestern auf der Straße ab. Die Armenier – ihr König Tiranes –, sie sind doch gar fromme Christgläubige, haben uns verraten. Mein ganzer Plan beruhte darauf, auch diesmal ›zangengleich‹, von zwei Seiten, von Westen und von Norden, den Feind zu fassen. Hier sollte sich das Heer des Sebastianus von Norden, von Nisibis, kommend, sich mit uns vereinen, verstärkt durch zwanzigtausend Mann Fußvolk und viertausend Reiter der Armenier, die mir König Tiranes versprochen hat. Wohlan, der fromme Schurke von einem König hat mich verraten. Als eifrigster Galiläer, ein Freund des Constantius, der ihm Olympias, eine Verwandte, vermählte, hat er sich wohl von Anfang an nur widerstrebend mir angeschlossen, von Anfang an mit der Absicht des Verrats den Bundesvertrag mit mir vereinbart, jene Hilfsscharen mir zugesichert. Vor kurzem soll nun, schreibt Sebastianus, bei Tiranes ein vornehmer Armenier im Dienste Sapors, ebenfalls ein Christ, eingetroffen sein, der, unterstützt von dem Bischof von Kárana, dem König meine Vernichtung als ein Gott höchst wohlgefälliges Werk darwies. Sie drangen durch, gegen Treue und Ehre – wie schon so oft! –, die Priester des Galiläers! O wie ich sie jetzt erst hasse! Tiranes gebot seinem Heer, auf dem Marsche zu Sebastianus haltzumachen und erklärte, mir, dem Ungläubigen, dem Apostaten, dem schlimmsten Feind Gottes und seiner heiligen Kirche, schulde niemand Treue. Gottesleugnern zu helfen sei Frevel! Er habe Frieden und Freundschaft geschlossen mit Sapor, und sein Heer werde, wenn es gezwungen wird, sich am Krieg zu beteiligen, nicht für, sondern gegen mich kämpfen.
Mit vollem Recht schreibt Sebastianus, daß er unter diesen Umständen seine Stellungen im Norden nicht verlassen, nicht zu uns stoßen könne. Ich kann aber auch nicht hier stehenbleiben, geschweige noch tiefer in das Perserreich vordringen. Von meinen einunddreißigtausend Mann, mit denen ich aus Circesium abzog, habe ich viertausend verloren. Mit siebenundzwanzigtausend Speeren kann ich diese weitgestreckte Doppelstadt nicht einschließen; ich zählte so fest auf Sebastianus, auf die Verstärkung von vierundfünfzigtausend Mann! Noch weniger kann ich, diese beiden Festungen unbezwungen im Rücken, den drei Heeren entgegenziehen, die Sapor aus allen Provinzen seines Reiches, bis aus Skythien und Indien her, unter einem neuen Surenas und zweien seiner Söhne gegen uns ausschickt.
Wir müssen zurück!
Wie dieses Wort schmerzt, das weiß nur der unbesiegte Gott. Ich bin schon besiegt, nicht in einer Schlacht, nein, für den ganzen Feldzug; er ist verloren. Ich bin besiegt, ja, aber nicht durch weisere Feldherrnschaft oder kühnere Heldenschaft, ich bin besiegt durch scheußlichen Verrat der Galiläer. Oh, ich werd's ihnen gedenken! Ein milder Feind war ich ihnen bisher, aber wenn kraft dieses Glaubens Heer und Reich verraten und mit Vernichtung bedroht werden, dann erheischt die Pflicht des Imperators, die Selbsterhaltung dieses Reiches, ein anderes. Wehe den Galiläern! Wir brechen morgen auf, aber nicht nach Circesium zurück; nein, gegen diese höllenfalschen Christusdiener in Armenien! Ich zermalme ihren König. Ihren Bischof von Kárana häng ich auf am Hochaltar seiner eigenen Kirche. Dann – nächstes Jahr (wenn das vernichtete Armenien uns nicht mehr verraten kann!) –, dann ziehen wir wiederum auf Ktesiphon. Ihr seid entlassen. Geht! – Auch ihr, Jovian und Serapion. Ich muß jetzt allein sein! In einer Stunde schickt mir Lysias. Mit dem will ich die Bestrafung der Galiläer in Armenien beraten. Er – er ist jetzt mein Mann.«
(Felix Dahn: Julian der Abtrünnige, 38. Kap. (103)
(Felix Dahn: Julian der Abtrünnige, 38. Kap. (103)
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