28 November 2020

Kalevala. Das finnische Epos des Elias Lönnrot (Erläuterung)

 Die Wikipedia zur Kalevala: Kalevala

Nur etwa 3% des Wortlauts der Kalevala stammen von Lönnrot, aber er hatte die gewaltige Arbeit der Suche und dann die, die Gesänge in eine übergreifende Handlung umzuformen. 

Hans Fromm über seine Übersetzung:

"Nach dem, was die Übersetzung leisten soll, konnte eine Prosaübersetzung als sinnvollste Lösung erscheinen. Doch auf den Vers und seine Ausdrucksgeste, so unvollkommen sie im Deutschen auch immer wieder ausfallen mag, war nicht zu verzichten. Denn eine Dichtung, die archaisierend sich in den Formen der Mündlichkeit bewegt, übernimmt auch von der Mündlichkeit die Existenzweise im Vollzug."

Will sagen: Mündliche Kommunikation, die situationsbezogen ist, mag kürzer sein als schriftliche.

Beispiel: "Hammer!" statt "Reichen Sie mir bitte den Hammer, wenn es Ihnen möglich ist!"

Aber, wo sie darstellt, enthält sie mehr Redundanz, weil die Zeit zur prägnanten Verkürzung fehlt oder, weil zur Schaffung der Atmosphäre viel Wiederholung  und Schmuck erforderlich ist.

Bei Fromm:

"Der Vers, sein Stabreimschmuck, seine rhythmischen Variationen, die Freiheit in der Begrenzung, die von ihm verwirklicht wird, dies alles ist selbst in so hohem Maße Sinnträger, dass auch ein nur einigermaßen angemessenes Verstehen des Ganzen aus einer wörtlichen Prosaübersetzung nicht zu gewinnen ist."

Dass er im Unterschied zu Schiefners Übersetzung von 1852 [in der die Ausschnitte aus dem Epos hier angeboten werden] nicht Kurzverse, sondern Langverse schreibt, erläutert Fromm (1967) so:

"Das lyrische Elemente wird zurückgedrängt, die epische Konzeption, Lönnrots Homerisches Vorbild wird greifbarer. Vor- und Nachteile mögen im Einzelfall gegeneinander abzuwägen sein, die Intention des Epenschöpfers aber ist mit dem eingeschlagenen Verfahren deutlicher bezeichnet. Und wenn die lange Zeile den Ablauf des Verses verlangsamt, die Anspannung des Lesenden vergrößert, so nähert sie sich damit der bedachtsam-feierlichen Schwere an, mit denen diese einstmals gesungenen Verse gelesen werden wollen."

Zur Veranschaulichung der Anfang des Epos in den beiden Übersetzungen:

Schiefner:

Werde von der Lust getrieben,
Von dem Sinne aufgefordert,
Daß ans Singen ich mich mache,
Daß ich an das Sprechen gehe,
Daß des Stammes Lied ich singe,
Des Geschlechtes Sang ich sage;
Worte schmelzen mir im Munde,
Es entschlüpfen mir die Töne,
Wollen meiner Zung' enteilen,
Wollen meine Zähne spalten.*

Fromm:

Mich verlangt in meinem Sinne, mich bewegen die Gedanken,
An das Singen mich zu machen, mich zum Sprechen anzuschicken,
Stammesweis nun anzustimmen, Sippensang nun anzuheben.
Worte schmelzen mir im Munde, es entstürzen mir die Mären,
Eilen zu auf meine Zunge, teilen sich auf meinen Zähnen.

Link zu den bisher in den Blog aufgenommenen Ausschnitten aus der Kalevala.

Link zum vollständigen Text bei Zeno.org (22.795 Verse,  in fünfzig Gesänge [Runen] gegliedert) in der Übersetzung von Anton Schiefner

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