Venus überreicht ihrem Sohn Aeneas einen Schild, den ihr Mann, der Gott Volkanus geschmiedet hat und auf dem die Geschichte Roms seit seiner Gründung in charakteristischen Episoden dargestellt ist.
Für Aeneas sind das alles Geschehnisse, die in der Zukunft liegen und deren Darstellung ihm nichts sagt, dafür dem Leser umso mehr.
Freude empfand er über die ruhmreiche Gabe der Göttin,
konnte sich sattsehen nicht, betrachtete staunend die Stücke
einzeln und wendete sie wiederholt in den Händen; den festen,
flammensprühenden Helm mit dem fürchterlich nickenden Buschen;
weiter das tödliche Schwert; den von Bronze starrenden Panzer,
blutrot, von riesiger Größe, wie eine blau schimmernde Wolke,
die von den Strahlen der Sonne erglüht und fernehin leuchtet;
schließlich die glänzenden Beinschienen, Silbergold neben dem reinen
Golde; den Speer; das schwerlich beschreibbare Kunstwerk des Schildes.
Hatte auf ihm doch Vulcanus, in Kenntnis mancher Orakel,
wohl unterrichtet über die Leistungen kommender Zeiten,
Taten italischer Helden und Siege der Römer in Bildern
dargestellt, des Ascanius Stamm und der Reihe nach alle
Kriege: Wie einst in der grünenden Grotte des Kriegsgotts die Wölfin
lag, zum Säugen bereit; wie die Zwillinge furchtlos im Spielen
sich an den Zitzen festsaugten, zärtlich die Amme beleckten;
wie sich die Wölfin zurückbog mit schmiegsamem Nacken und beide
liebkoste, dann mit der Zunge sorglich das Jungenpaar putzte.
Wie man im nahegelegenen Rom bei den Spielen im Zirkus
dreist die sabinischen Mädchen von ihren Plätzen entführte,
plötzlich das Volk des Romulus sich im Krieg mit dem greisen
Tatius maß und den sittenstrengen Bürgern von Cures;
wie dann, nach Schlichtung des Streites, die Fürsten im Schmucke der Waffen
vor dem Altare Jupiters standen, die Schalen in ihren
Händen, und mit dem Opfer der Sau den Staatsvertrag schlossen.
Ganz in der Nähe hatten vier feurige Rosse den Mettus
grausam zerrissen – weswegen auch brachest dein Wort du, Albaner! –,
fortschleifen ließ schon Tullus die Teile des toten Verräters
quer durch das Dickicht, die Blutspritzer troffen herab von den Dornen.
Durchsetzen wollte Porsenna die Rückkehr des kürzlich verbannten
Königs Tarquinius, Rom durch harte Blockade bezwingen.
Doch die Aeneasenkel stürmten zum Kampf für die Freiheit.
Deutlich sah man den König Porsenna ärgerlich drohen,
weil voll Verwegenheit Cocles soeben die Pfahlbrücke abbrach,
Cloelia aus der Gefangenschaft über den Tiber davonschwamm.
Auf der tarpejischen Burghöhe hielt, zum Schutze des Tempels,
Manlius Wache, er hütete das Kapitol, und die Hütte –
»Hofburg« des Romulus – leuchtete hell mit erneuertem Strohdach.
Hier auch im goldenen Säulengang meldete schnatternd, die Flügel
schlagend, die silberne Gans den drohenden Angriff der Gallier.
Hatten doch diese durch dichtes Gestrüpp den Berg schon erklommen,
günstig getarnt dank der nächtlichen Finsternis: Golden erglänzte,
lockig, ihr Haar, ihr Gewand auch, es leuchteten ihre gestreiften
Mäntel, um milchhelle Nacken hingen goldene Ketten;
sicher gedeckt durch die Langschilde, hielten sie fest in den Fäusten
stoßbereit die in den Alpen üblichen blinkenden Spieße.
Tanzende Salier, nackte Luperker zeigte daneben
gleich das Relief, die wolleumwundenen Mützen, die Schilde,
die einst vom Himmel herabfielen. Ehrbare Hausfrauen fuhren
Opfergeräte durch Rom in gefederten Prachtkutschen.
Ferne
zog sich der Tartarus hin, die gähnenden Tore des Pluton,
wo man die Frevler bestrafte, wo du, Catilina, an steiler
Felsenwand hingst, vor den Furien zitternd, und abseits die milde
Heimstatt der Seligen, denen ein Cato Recht und Gesetz gab.
Zwischen den Bildern erstreckte das wogende Meer sich ins Weite,
golden, doch trugen die tiefblauen Wellen schäumende Kämme.
Silberhelle Delphine peitschten rings mit den Schwänzen
spielend zum Kreise die Flut und durchfurchten die Wogen. Inmitten
sah man die Seeschlacht von Actium dargestellt, ehern beschlagne
Kriegsflotten, sah das Kap am Leukate von kämpfenden Schiffen
rührig umwimmelt, die Wellen auch schäumen in goldenem Glanze.
Caesar Augustus stand dort auf ragendem Hinterdeck, Feldherr
aller Italer, mit Vätern und Volk, mit Penaten und machtvoll
hilfreichen Göttern; ihm strahlten die Helmwangen, sicher des Sieges;
über dem Haupte erschien hellglänzend der Glücksstern des Vaters.
Seitlich führte, begünstigt von Göttern und Winden, in straffer
Haltung Agrippa die Flotte; als stolze Auszeichnung glänzte
ihm um die Schläfen der Kranz, der mit goldenen Schiffsschnäbeln prangte.
Ihm gegenüber Antonius, Feldherr zahlreicher fremder
Truppen, im Orient siegreich, am Roten Meer, kommandierte
Streiter Ägyptens, des ferneren Ostens, ja Bactras, der fernen
Grenzstadt; ihm folgte, zu bitterer Schmach, die ägyptische Gattin.
Allesamt stürzten sie sich in den Kampf, wild schäumte das Wasser
unter den Rudern, durchwühlt von dreizackigen Rammen. Man drängte
weit in die offene See, als schwämmen, vom Grunde gerissen,
fort die Kykladen, als prallten Berge mit Bergen zu sammen:
Derart gewaltig maßen im Kampf sich die turmhohen Schiffe.
Brandfackeln wurden geschleudert, es hagelte spitze Geschosse,
Blutströme röteten Neptuns Wogen wie niemals vor Zeiten.
Mitten im Schlachtgewühl spornte die Fürstin mit Isisgeklapper
rüstig die Ihren, sie sah nicht das Schlangenpaar hinterrücks drohen.
Vielerlei göttliche Scheusale, wie auch der Kläffer Anubis,
zückten die Waffen gegen Neptun, Minerva und Venus.
Kunstreich aus Eisen gemeißelt, tobte im Zentrum des Kampfes
Mars, aus dem Äther schwebten die grausigen Furien, in wildem
Freudenrausch schritt die Zwietracht einher mit zerrissenem Kleide;
Göttin Bellona folgte ihr nach mit blutiger Peitsche.
Hoch vom Kap Actium sah es Apollo und spannte den Bogen.
Jähes Entsetzen ergriff da Ägypter, Araber, Inder
sämtlich, es wandten zur Flucht sich alle Sabäer. Die Fürstin
selber sah man die Winde anflehen, sah sie mit vollen
Segeln davonfahren, lockern so weit wie möglich die Taue.
Dargestellt hatte der Feuergott sie, wie die Flut und der Nordwind
sie dem Gemetzel entführten, erblaßt vor dem nahenden Tode,
ihr gegenüber den mächtigen Nil, der traurig die Arme
breitete und die Besiegten, winkend mit seinem Gewande,
rief in den bläulichen Schoß, in die sichere Obhut des Stromes.
Caesar jedoch, als dreifacher Sieger, erreichte die Hauptstadt,
brachte Italiens Göttern ein niemals vergängliches frommes
Denkmal: Er weihte in Rom an die dreihundert prächtige Tempel.
Freude und Spiel und lärmender Beifall durchdröhnten die Straßen:
Chöre von Müttern und Festaltäre in sämtlichen Tempeln –
vor den Altären der Boden bedeckt von geschlachteten Rindern!
Selber thronte am schneeweißen Tor er des leuchtenden Phöbus,
musterte prüfend die Gaben der Völker und ließ an die stolzen
Pfeiler sie heften. Der Zug der Besiegten dehnte sich weithin,
vielfach verschieden an Sprache, verschieden an Kleidung und Waffen.
Dargestellt sah man Nomaden, Afrer mit wallenden Kleidern,
Leleger, Karer, mit Pfeil und Bogen bewehrte Gelonen.
Ruhiger strömte der Euphrat bereits. Vom Rande der Erde
kamen die Móriner, weiter der Rhein mit der zweifachen Mündung,
trotzig die Daher, zum Schluß der Araxes, der Brücken verabscheut.
Diese Reliefs bestaunte Aeneas am Schild des Vulcanus,
den ihm die Mutter geschenkt. Er verstand nicht die Bilder, doch freudig
hob er sich über die Schulter die ruhmreichen Taten der Enkel.
(Vergil:Aeneis, 8. Gesang)
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