Isabel Allende: Paula
"Auf einen Ehrenplatz mitten zwischen einer unmöglichen Flora und einer verrückten Fauna malte ich die Silhouette eines Jungen mit dem Rücken zum Beschauer, als betrachte er das Wandbild. Das war das Porträt von Marc Chagall, in den ich mich verliebt hatte, wie nur Kinder sich verlieben können."
" Ich glaube, sie sind ein bißchen verliebt in deinen Mann, so viel Liebe rührt sie; sie sehen ihn über dein Bett gebeugt, wie er flüsternd mit dir spricht, als könntest du ihn hören, und sie wünschen, selbst so geliebt zu werden."
"Ich habe nie wieder sinnlichere Ohren gesehen. Es war Liebe auf den ersten Blick, ich verliebte mich in seine Ohren, ehe ich sein Gesicht gesehen hatte, und mit solchem Ungestüm, daß in den folgenden Monaten mein Appetit verlorenging und ich vom vielen Fasten und Seufzen anämisch wurde. Diese romantische Verzückung war gänzlich frei von sexuellen Vorstellungen; das, was mir in meiner Kindheit in einem Pinienwald am Meer von einem Fischer mit heißen Händen geschehen war, verband ich nicht mit den unverbildeten Gefühlen, die mir diese außergewöhnlichen Anhängsel einflößten. Ich war von einer keuschen Verliebtheit heimgesucht, die umso verheerender war, als sie zwei Jahre andauerte. [...] Es war eine zum Scheitern bestimmte Romanze, der Gegenstand meiner Leidenschaft behandelte mich immer mit einer solchen Gleichgültigkeit, daß ich schließlich dachte, ich würde unsichtbar in seiner Gegenwart. Kurz bevor wir Bolivien endgültig verließen, brach in der Pause eine Prügelei aus, und eh' ich mich versah, war ich plötzlich mit meinem Angebeteten im Clinch, und wir rollten unter Schlägen, Haareziehen und Fußtritten durch den Staub. Er war viel größer als ich, und obwohl ich alles anbrachte, was ich mit meinem Großvater an den Catcherabenden im Teatro Caupolicán gelernt hatte, blieb ich doch verbleut und mit Nasenbluten zurück, aber in einem Augenblick kam eins seiner Ohren in Reichweite meiner Zähne, und ich konnte ihm einen leidenschaftlichen Biß verpassen. Wochenlang wandelte ich auf Wolken. Es ist die erotischste Begegnung meines Lebens, eine Mischung aus intensiver Freude und dem nicht weniger scharfen Schmerz der Prügel."
"Und jedesmal nach befriedigter Leidenschaft und erneuerter Liebe schlafen wir eng umschlungen ein, ohne zu fragen, wo der eine anfängt und der andere aufhört, wem diese Hände oder jene Beine gehören, in so vollkommener Gemeinsamkeit, daß wir uns in den Träumen begegnen und am Tag darauf nicht wissen, wer von wem geträumt hat [...]
Mir hat er errötend gestanden, daß Elvira das Licht seines Lebens ist, ohne sie ist ihm nichts mehr wichtig. Nimmst du wahr, was dich umgibt, Paula? [...]
vor allem rufe ich die Granny an, deine Großmutter mit den durchsichtigen Augen, die vor Leid starb, als sie sich von dir trennen mußte [...]
All das habe ich verloren, und meine Tochter ging von mir, aber in Wirklichkeit ist mir das Wesentliche geblieben: die Liebe. In letzter Instanz ist das einzige, was ich habe, die Liebe, die ich dir gebe."
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