Das ist Bordenave, sagte Fauchery und stieg die Treppe hinab.
Doch der Direktor hatte ihn schon wahrgenommen.
Ach, Sie sind ein sauberer Patron, rief er ihm schon von weitem zu. So haben Sie mir einen Artikel über Nana geschrieben. Ich habe heute kaum erwarten können, den Figaro zur Hand zu bekommen; aber es steht nichts darin, kein Wort ...
Fassen Sie sich in Geduld, erwiderte Fauchery. Ich muß sie doch kennen lernen, Ihre Nana, ehe ich von ihr spreche ... Ich habe Ihnen übrigens nichts versprochen ...
Um diesem Gespräch ein Ende zu machen, stellte er dem Direktor seinen Vetter vor, Hern Hektor de la Faloise, der nach Paris gekommen war, um seine Ausbildung zu vollenden. Der Direktor maß den jungen Mann mit einem Blicke, Hektor hingegen besah sich den Mann mit großer Aufmerksamkeit. Das also war Bordenave, der große Weiberverführer, der mit ihnen wie ein Galeerensklavenwächter umging; der Mann, dessen Gehirn fortwährend über irgendeine Reklame brütet; der Mann, der jetzt schreit, spuckt, sich mit den Händen auf die Schenkel schlägt, der Zyniker mit dem Geist eines Gendarmen.
[9] Hektor glaubte, etwas angenehmes sagen zu müssen.
Ihr Theater ... begann er mit sanfter Stimme.
Bordenave unterbrach ihn und entgegnete in dem rauhen Tone eines Mannes, der gewohnt ist, frei von der Leber weg zu reden:
Sagen Sie lieber: mein Bordell ... [...]
Fauchery, der indessen die eintretenden Frauen gemustert hatte, kam jetzt seinem Vetter zu Hilfe, der mit offenem [10] Munde dastand und nicht wußte, ob er lachen oder sich ärgern sollte.
Tu doch Bordenave den Gefallen, sein Theater ein Bordell zu nennen, da es ihm Vergnügen macht. – Und Sie, mein Lieber, geben Sie uns keine Rätsel auf. Wenn Nana weder singen noch spielen kann, wird Ihre Neuheit nicht einschlagen, was ich ohnehin befürchte.
Was, nicht einschlagen? rief der Direktor, dessen Antlitz sich rötete. Hat eine Frau es nötig, singen und spielen zu können? Ach, mein Kleiner, du bist recht dumm! ... Nana hat etwas anderes ... Donnerwetter! Etwas, das alles ersetzt ... Ich habe es herausgefunden, es ist sehr stark bei ihr ausgeprägt, oder ich müßte eine schlechte Nase haben. Du wirst sehen, sie braucht nur zu erscheinen, und das ganze Haus läßt die Zunge heraushängen.
Er hatte die Hände erhoben, die vor Begeisterung zitterten; dann senkte er besänftigt die Stimme und brummte vor sich hin:
Sie wird ihren Weg machen, sie wird es weit bringen. Eine Haut! Oh, eine Haut ...
Dann gab er, von Fauchery aufgefordert, Einzelheiten über Nana, mit einer Roheit der Ausdrücke, die Hektor de La Faloise in Verlegenheit brachte. Er hatte Nana kennen gelernt, erzählte er, und wolle ihr den Weg bahnen. Er sei auf der Suche nach einer Venus für das neue Stück gewesen. Es sei nicht seine Sache, eine Frau lange auf dem Nacken zu behalten, er liebe es vielmehr, sie bald dem Publikum zu überlassen.
Zola: Nana 1. Kapitel, S.8-10
Peter Bichsel: Die schöne Schwester Langeweile (2023)
vor 21 Stunden
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