Frau Boye
"Aber trotzdem bildete sich nach und nach ein Verhältnis zwischen ihnen heraus, ein seltsames Verhältnis, geboren aus der demütigen Liebe eines Jünglings, dem traumheißen Begehren eines Phantasten und der Lust eines Weibes, in romantischer Unerreichbarkeit begehrt zu werden; und dieses Verhältnis fand seine Form in einer Mythe, die für sie entstand, sie wußten nicht wie, eine stille, stubenbleiche Mythe von einer schönen Frau, die in ihrer Jugend einen der Großen im Geiste geliebt hatte, der fortgegangen war, um in fremdem, fernem Land vergessen und verlassen zu sterben.
"Aber trotzdem bildete sich nach und nach ein Verhältnis zwischen ihnen heraus, ein seltsames Verhältnis, geboren aus der demütigen Liebe eines Jünglings, dem traumheißen Begehren eines Phantasten und der Lust eines Weibes, in romantischer Unerreichbarkeit begehrt zu werden; und dieses Verhältnis fand seine Form in einer Mythe, die für sie entstand, sie wußten nicht wie, eine stille, stubenbleiche Mythe von einer schönen Frau, die in ihrer Jugend einen der Großen im Geiste geliebt hatte, der fortgegangen war, um in fremdem, fernem Land vergessen und verlassen zu sterben.
[...]
Nach und nach nahm ihr Verhältnis im Schutz dieser Mythe eine festere Form an. Sie duzten sich und nannten sich beim Vornamen, wenn sie allein waren, Niels und Tema, und die Anwesenheit der Nichte wurde soviel wie möglich beschränkt. Wohl suchte Niels hie und da die aufgerichtete Schranke zu durchbrechen, aber Frau Boye war ihm zu überlegen, um nicht leicht und behutsam diese Aufstandsversuche unterdrücken zu können, und bald gab Niels sich wieder zufrieden und fand sich in diese Liebesphantasie mit Bildern der Wirklichkeit. [...]
Überdies hatte sie das Spiel doch nicht so ganz in ihrer Hand; denn es geschah doch zuweilen, daß das Blut in seinem Müßiggang davon träumte, diese halbgezähmte Liebe zu belohnen, sie mit dem reichsten Zauber der Liebe verschwenderisch zu überfluten, um sich an ihrem staunenden Glück zu ergötzen. Und solch ein Traum war nicht so leicht zu verjagen; und wenn dann Niels kam, so war sie nervös im Bewußtsein der Sünde und von einer Demut des Schuldbewußtseins, einer hinreißenden Schamhaftigkeit, die die Luft gar seltsam liebesbange machten. [...]
Aus Niels Lyhne sollte ja ein Dichter werden, und in seinen äußeren Lebensbedingungen war ja auch genug gewesen, was seine Neigungen in dieser Richtung leiten konnte, genug, was seine Fähigkeiten auf eine solche Aufgabe aufmerksam machen konnte; aber bis jetzt hatte er ja nicht viel mehr als seine Träume gehabt, auf die hin er Dichter werden konnte, und nichts ist einförmiger, eintöniger als Phantasterei; denn in den scheinbar unendlichen, ewig wechselnden Traumlanden gibt es in Wirklichkeit doch nur gewisse kurze, festgelegte Landstraßen, auf denen alle gehen, und über die sie niemals hinauskommen. Die Menschen können sehr verschieden sein, aber ihre Träume sind es nicht;
[...]"
Die Mutter
Die Mutter
"»Ich habe auf das Schiff gewartet – nein, sei still, mein Junge, du verstehst mich nicht, – es war nicht für mich selbst, es war deines Glückes Schiff, ..... ich hatte gehofft, daß das Leben groß und reich für dich werden und du auf strahlenden Wogen dahinfahren würdest – Berühmtheit ... alles – nein, nicht das; nur, daß du mitkämpfen solltest um das Größte, ich weiß nicht wie, aber ich war des Alltagsglücks und der Alltagsziele so müde geworden. Verstehst du mich?« [...]
»Hab ich dir weh getan, mein Junge? Es waren ja nur Träume, laß gut sein.« Niels schwieg lange, er schämte sich dessen, was er sagen wollte. »Mutter,« sagte er, »wir sind nicht so arm, wie du glaubst. – Eines Tages wird das Schiff doch kommen..... Wenn du das nur glauben oder an mich glauben wolltest ... Mutter, ich bin ein Dichter – wirklich – mit meiner ganzen Seele. Glaub' nicht, daß es Kinderträume sind oder Träume der Eitelkeit. Wenn du fühlen könntest, wie ich es sage, mit wie dankbarem Stolz auf das Beste in mir, mit wie demütiger Freude darüber, daß es ist – so fern von allem Persönlichen, von jedem Hochmut, dann würdest du es so glauben, wie ich innig wünsche, daß du es glauben möchtest. O du Liebe, Liebe! ich werde mit um das Größte kämpfen, und ich verspreche dir, daß ich nie weichen, stets treu sein werde gegen mich, und das, was ich habe. Das Beste soll mir gerade gut genug und nicht mehr sein; keinen Akkord werde ich schließen, Mutter; kann ich fühlen, daß es nicht vollhaltig ist, was ich geformt habe, oder höre ich, daß es einen Riß oder Sprung hat, wieder hinein damit in den Schmelztiegel – immer nur das Beste, was ich zu leisten vermag. Begreifst du, daß ich dies versprechen muß? Die Dankbarkeit für all meinen Reichtum treibt mich zum Versprechen, und du mußt es annehmen, und es wird ein Verbrechen gegen dich und das Höchste sein, wenn ich jemals untreu werde; denn dir danke ich es, daß meine Seele so hoch strebt;
[...]
»Du hast mich so froh gemacht, Niels ... nun ist mein Leben doch nicht ein einziger, langer, unnützer Seufzer gewesen; es hat dich empor getragen, so wie ich es innig erhofft und erträumt habe, o Gott, so oft erträumt habe. – Und doch mischt sich so viel Wehmut in die Freude, denn, Niels, daß mein teuerster Wunsch, der Wunsch so vieler Jahre, gerade jetzt in Erfüllung gehen soll ... so kommt es nur, wenn man nicht lange mehr zu leben hat.« [...]
denn der letzte Traum, der sich ihr in dem verborgenen Winkel der Heimat wie eine neue Morgenröte gezeigt hatte, der Traum von der Herrlichkeit einer fernen Welt, er hatte nicht den Tag gebracht, seine Farben waren verblichen, je näher sie ihnen kam, und sie fühlte, daß sie nur für sie erbleichten, weil sie Farben verlangt hatte, die das Leben nicht besitzt, eine Schönheit begehrt hatte, welche die Erde nicht reift. Aber die Sehnsucht erlosch nicht, still und stark brannte sie in ihrem Herzen, immer heißer in ihrem Schmerz, heiß und verzehrend. [...]
Jeder Tag brachte neue Blumen, er trieb sie in den Gärten am See in bunten Mustern aus der Erde, er lud sie unten auf den Zweigen der Bäume ab, Riesenveilchen auf der Paulownia und große purpurstreifige Tulpen auf der Magnolia. An den Wegen entlang zogen die Blumen in blauen und weißen Reihen, sie füllten die Felder mit gelben Horden, aber nirgend standen sie so dicht, wie oben zwischen den Höhen in einsamen, warmen, kleinen Tälern, wo der Lärchenbaum mit licht funkelnden Rubinzapfen im hellen Laub stand; denn dort oben blühten Narzissen in blendenden Myriaden und erfüllten die Luft in der Runde mit dem. betäubenden Duft ihrer weißen Orgien. [...]
Weiß schimmern sie zwischen dunkeln Zypressen und dem im Winter blühenden Viburnum hervor; frühe Rosen schütten ihre Blätter über viele von ihnen aus, und an ihrem Fuß ist die Erde blau von Veilchen; aber um jeden Hügel und jeden Stein schlingen sich die Ranken der sanften Vinka mit ihren blanken Blättern, Rousseaus Lieblingsblume, die blauer ist als der blaue Himmel."
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