28 Februar 2021

Goethe: Reineke Fuchs - Wie Reineke den Kopf aus der Schlinge zieht (5. Gesang)

Nun vernehmet die List und wie der Fuchs sich gewendet,

Seine Frevel wieder zu decken und andern zu schaden.

Bodenlose Lügen ersann er, beschimpfte den Vater

Jenseit der Grube, beschwerte den Dachs mit großer Verleumdung,

Seinen redlichsten Freund, der ihm beständig gedienet.

So erlaubt' er sich alles, damit er seiner Erzählung

Glauben schaffte, damit er an seinen Verklägern sich rächte.


»Mein Herr Vater«, sagt' er darauf, »war so glücklich gewesen,

König Emmrichs, des Mächtigen, Schatz auf verborgenen Wegen

Einst zu entdecken; doch bracht ihm der Fund gar wenigen Nutzen.

Denn er überhub sich des großen Vermögens und schätzte

Seinesgleichen von nun an nicht mehr, und seine Gesellen

Achtet' er viel zu gering: er suchte sich höhere Freunde.

Hinze, den Kater, sendet' er ab in die wilden Ardennen,

Braun, den Bären, zu suchen, dem sollt er Treue versprechen,

Sollt ihn laden, nach Flandern zu kommen und König zu werden.


Als nun Braun das Schreiben gelesen, erfreut' es ihn herzlich;

Unverdrossen und kühn begab er sich eilig nach Flandern:

Denn er hatte schon lange so was in Gedanken getragen.

Meinen Vater fand er daselbst, der sah ihn mit Freuden,

Sendete gleich nach Isegrim aus und nach Grimbart, dem Weisen;

Und die vier verhandelten dann die Sache zusammen;

Doch der fünfte dabei war Hinze, der Kater. Ein Dörfchen

Liegt allda, wird Ifte genannt, und grade da war es,

Zwischen Ifte und Gent, wo sie zusammen gehandelt.

Eine lange, düstere Nacht verbarg die Versammlung:

Nicht mit Gott! es hatte der Teufel, es hatte mein Vater

Sie in seiner Gewalt mit seinem leidigen Golde.

Sie beschlossen des Königes Tod, beschwuren zusammen

Festen, ewigen Bund, und also schwuren die fünfe

Sämtlich auf Isegrims Haupt: sie wollten Braunen, den Bären,

Sich zum Könige wählen und auf dem Stuhle zu Aachen

Mit der goldnen Krone das Reich ihm festlich versichern.

Wollte nun auch von des Königes Freunden und seinen Verwandten

[...]

Dann entdeckt Ihr sogleich die allerreichsten Geschmeide,

Golden, künstlich und schön, auch findet Ihr Emmerichs Krone;

Wäre des Bären Wille geschehn, der sollte sie tragen.

Manchen Zierat seht Ihr daran und Edelgesteine,

Goldnes Kunstwerk; man macht es nicht mehr, wer wollt es bezahlen?

Sehet Ihr alle das Gut, o gnädiger König, beisammen,

Ja, ich bin es gewiß, Ihr denket meiner in Ehren.

Reineke, redlicher Fuchs! so denkt Ihr, der du so klüglich

Unter das Moos die Schätze gegraben, o mög es dir immer,

Wo du auch sein magst, glücklich ergehn!« So sagte der Heuchler.


Und der König versetzte darauf: »Ihr müßt mich begleiten;

Denn wie will ich allein die Stelle treffen? Ich habe

Wohl von Aachen gehört, wie auch von Lübeck und Köllen

Und von Paris; doch Hüsterlo hört ich im Leben nicht einmal

Nennen, ebensowenig als Krekelborn; sollt ich nicht fürchten,

Daß du uns wieder belügst und solche Namen erdichtest?«


Reineke hörte nicht gern des Königs bedächtige Rede,

Sprach: »So weis ich Euch doch nicht fern von hinnen, als hättet

Ihr am Jordan zu suchen. Wie schien ich Euch jetzo verdächtig?

Nächst, ich bleibe dabei, ist alles in Flandern zu finden.

Laßt uns einige fragen; es mag es ein andrer versichern.

Krekelborn! Hüsterlo! sagt ich, und also heißen die Namen.«

Lampen rief er darauf, und Lampe zauderte bebend.

Reineke rief: »So kommt nur getrost, der König begehrt Euch,

Will, Ihr sollt bei Eid und bei Pflicht, die Ihr neulich geleistet,

Wahrhaft reden; so zeiget denn an, wofern Ihr es wisset,

Sagt, wo Hüsterlo liegt und Krekelborn? Lasset uns hören.«


Lampe sprach: »Das kann ich wohl sagen. Es liegt in der Wüste

Krekelborn nahe bei Hüsterlo. Hüsterlo nennen die Leute

Jenen Busch, wo Simonet lange, der Krumme, sich aufhielt,

Falsche Münze zu schlagen mit seinen verwegnen Gesellen.

Vieles hab ich daselbst von Frost und Hunger gelitten,

Wenn ich vor Rynen, dem Hund, in großen Nöten geflüchtet.«[492]

Reineke sagte darauf: »Ihr könnt Euch unter die andern

Wieder stellen; Ihr habet den König genugsam berichtet.«

Und der König sagte zu Reineke: »Seid mir zufrieden,

Daß ich hastig gewesen und Eure Worte bezweifelt;

Aber sehet nun zu, mich an die Stelle zu bringen.«


Reineke sprach: »Wie schätzt ich mich glücklich, geziemt' es mir heute,

Mit dem König zu gehn und ihm nach Flandern zu folgen;

Aber es müßt Euch zur Sünde gereichen. Sosehr ich mich schäme,

Muß es heraus, wie gern ich es auch noch länger verschwiege.

Isegrim ließ vor einiger Zeit zum Mönche sich weihen,

Zwar nicht etwa, dem Herren zu dienen, er diente dem Magen;

Zehrte das Kloster fast auf, man reicht' ihm für sechse zu essen,

Alles war ihm zu wenig; er klagte mir Hunger und Kummer;

Endlich erbarmet' es mich, als ich ihn mager und krank sah,

Half ihm treulich davon, er ist mein naher Verwandter.

Und nun hab ich darum den Bann des Papstes verschuldet,

Möchte nun ohne Verzug, mit Eurem Wissen und Willen,

Meine Seele beraten und morgen mit Aufgang der Sonne,

Gnad und Ablaß zu suchen, nach Rom mich als Pilger begeben

Und von dannen über das Meer; so werden die Sünden

Alle von mir genommen, und kehr ich wieder nach Hause,

Darf ich mit Ehren neben Euch gehn. Doch tät ich es heute,

Würde jeglicher sagen: Wie treibt es jetzo der König

Wieder mit Reineken, den er vor kurzem zum Tode verurteilt!

Und der über das alles im Bann des Papstes verstrickt ist!

Gnädiger Herr, Ihr seht es wohl ein, wir lassen es lieber.«

[...]

(Goethe: Reineke Fuchs, 5. Gesang)


Keine Kommentare: