21 Januar 2023

Monika Helfer: Löwenherz

Monika Helfer 

Löwenherz: Rezensionen bei Perlentaucher

Alle Personen  in dem Roman (2022) wirken wie ausgedacht, sympathisch ausgedacht, aber nicht so, wie sie in eine realistische Welt passen. - Dabei handelt es sich um einen biographischen Roman über M. Helfers Bruder.

Richard (Löwenherz), der Titelheld, das Lieblingskind des Vaters und deswegen der Mutter, oder Mann ohne Eigenschaften, der "Schmähtandler", also der Mann, der sich ständig die Welt ausdenkt, die er gebrauchen kann, dem man deshalb also nichts glauben kann, dem Frauen aber meist alles glauben, weil sie es wollen. 

Der gerät in eine Konstellation wie in Andrej Kurkow: Picknick auf dem Eis (2019): Der Held, der zunächst mit einem Tier zusammen lebt, wird auf etwas ungewöhnliche Weise für ein kleines Mädchen zuständig, für das er aber keine Zeit hat und das sich deshalb mit dem Tier anfreundet. Nur dass das Tier bei Kurkow ein Pinguin ist, bei Helfer der Hund Schamasch.

Monika Richards Schwester und Erzählerin aus Österreich, Vorarlberg

Gretel    Richards Schwester. Sie sagt zu Monika: " 'Warum hätte ich sollen', sagt Grete. Es ist doch alles gut ausgegangen. Und du hättest eine Geschichte daraus gemacht.'

Ich will sagen: Schließlich sind wir ja Geschwister. Ich sage nichts. Weil ich sonst sagen müsste, ja, ich mache eine Geschichte daraus. Als ob es etwas Ehrenrühriges wäre, Schriftstellerin zu sein." (S.73)

Renate  Richards Schwester

Die drei Schwestern wachsen wie elternlos auf und "halten zusammen wie Pech und Schwefel".

Richards Mutter  tot

Richards Vater im Kloster, liest und erhält Suppen von den Nonnen

Putzi 1, der einzige Mensch, der Richard emotionel berührt und den er liebt. (Er weiß nicht, dass sie Rosi - in Wirklichkeit aber ganz anders - heißt.)

Kitti, Richards "Lebensretterin", die ihr Baby Richard anhängt und dann verschwindet

Monikas Mann

Michael, Freund von Monika und Richard 

Putzi 2 oder Simone

Tanja, Richards Geliebte, Rechtsanwältin, die plötzlich viel Geld verdient

Der Schluss des Romans:

" 'Richard hat sich das Leben genommen', sagte er zu mir. [...]

Gerade fällt mir ein Wort ein, von dem ich nicht weiß, ob es noch etwas taugt: 'Schlafesruh'. Es kommt in einem Kirchenlied vor. Ich nehme es für Richard und es beruhigt mich."


Todesnacht

   Süß ist wohl nach lautem Leben
Eines langen Schlafes Ruh',
Würd' der Tod mir diese geben,
Ging' ich gern dem Grabe zu.

Traumlos möcht' ich schlafen stille
Dann die lange Todesnacht,
Wie die Pupp' in dunkler Hülle,
Bis der Schmetterling erwacht.



Die Problematik der Darstellung: Die Erzählerin rückt äußerst nah an die Autorin heran. 

Dadurch wird die Personenkennzeichnung Teil einer Rechtfertigung der Handlung der Erzählerin, die unter dem Bann ihres Bruders zwar weiß, dass er ein "Schmähtandler" ist, aber dennoch seine Berichte über die angeblichen Handlungen der Kitti für volle Wahrheit nimmt. So wird das, was er über Kitti sagt, in der Darstellung als unbezweifelte Wahrheit eingeführt. Kitti ist böse und zwingt Richard ein Kind auf und Verbrecher entführen es. Dadurch wird der egoistische Autist plötzlich zum liebevollen Vater. Seine Kitti zum Wunderkind, das alle verhext, so dass sie alles, was es tut, gutheißen. Ein Wilderer erschießt seinen Hund. Plötzlich wird Richard, der vorher Emotionen nicht kannte, völlig abhängig von der Trauer des Kindes und die "coole" Rechtsanwältin fügt sich wie willenlos seinen Wünschen. - In der Fiktion glaubt die Erzählerin ihrem Bruder alles und erscheint schuldlos unverantwortlich. Dadurch, dass Helfer sie zur Erzählerin macht, ist sie in der fiktiven Handlung ganz ohne Schuld. 

Die Nähe der Erzählerin zur Autorin bestärkt aber den Verdacht, dass die Autorin mit ihrer Fiktion sowohl Richard als auch Monika - sich selbst? - als schuldlos erscheinen lassen will, Kitti aber als die unerklärbar böse Dämonin. - Weshalb nennt diese das Kind plötzlich mit seinem bürgerlichen Namen Ayasha Roya, den sie laut S.178 zuvor nicht aussprechen konnte? 

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