25 Dezember 2014

Wolfgang Büscher: Ein Frühling in Jerusalem

Wolfram Büscher verdanke ich einige der ausdrucksstärksten Einträge auf diesem Blog. Er ist ein Meister verdichteter Formulierungen und auch die Szenen, die er entwirft, prägen sich ein.

Orhan Pamuks Buch über Istanbul wird nicht leicht übertroffen, in der Dichte der Atmosphäre übertrifft es m.E. "Ein Frühling in Jerusalem" doch.

Büscher schreibt: "Er lebte in einer Welt, die verschwunden war, dem Nahen Orient".
Der Satz scheint aus einem Klischee zu bestehen, bis man auf die Formulierung "dem Nahen Orient" stößt.
Was wir Naher Osten nennen, heißt für die Amerikaner Middle East, für Inder ist es der nahe Westen. In der Zeit meiner Kindheit und Jugend las ich vom Vorderen Orient, dem Gebiet, in dem Historiker ihren fruchtbaren Halbmond finden. Es war ein Gebiet, das bewusstseinsmäßig noch nicht vom Nahostkonflikt geprägt war.  In den Zeiten, als man auch außerhalb der Pegida in den Kategorien Abend- und Morgenland dachte, war das Morgenland die Inkarnation des Anderen. Der Orient war das Ferne, das Land der Märchenträume, das Land, in das Pilger und Kreuzfahrer aufbrachen, um nie oder doch zumindest nicht mehr als dieselben zurückzukommen.
Und jetzt der Nahe Orient.
Diesen Ausdruck erklärt Büscher später. Er meint damit die Zeit, als es im Osmanischen Reich in Jerusalem eine christliche Elite gab.*


*Nichts davon wird ausgesprochen. Für mich schwingt darin mit, dass für Europäer die Christen im Osmanischen Reich als wesentlich näher, verwandter empfunden wurden als die Muslime.- Mir scheint es eine ähnliche Konstellation wie mit den Phanarioten in Istanbul. All das sind für mich Konnotationen des mir völlig ungeläufigen Begriffs "Naher Orient".
Offenbar ist aber der Begriff "Naher Orient" in der Zeit vor und in dem 1. Weltkriegs relativ geläufig gewesen. In den Kontext gehören wohl die Pläne Wilhelms II., in Arabern Verbündete gegen Großbritannien zu gewinnen.
Lawrence von Arabien war mit seinen Plänen erfolgreicher. Dass die Hoffnungen auf arabische Selbständigkeit dann mit dem Sykes-Picot-Abkommen schwer enttäuscht wurden, trug sicher zusammen mit der Balfourerklärung zu einer Verschärfung des arabisch-israelischen Konflikts bei, den wir Nahostkonflikt, nicht Naher-Orient-Konflikt nennen,

Tweets zum Hashtag Jerusalem
Tweets zu Nahostkonflikt

Keine Kommentare: