"»Ich kann mich nun«, versetzte der Graf, »allerdings schon leichter in dieses sonderbare Nationalgefühl hineindenken, muß aber umso eher darauf bestehen, daß die Schweizer folgerechterweise auch einer ebenso eigentümlichen, aus ihren Verhältnissen erwachsenden Geisteskultur bedürfen sollten!«
»Das ist eben die andere Seite! Es gibt zwar viele meiner Landsleute, welche an eine schweizerische Kunst und Literatur, ja sogar an eine schweizerische Wissenschaft glauben. Das Alpenglühen und die Alpenrosenpoesie sind aber bald erschöpft, einige gute Schlachten bald besungen, und zu unserer Beschämung müssen wir alle Trinksprüche, Mottos und Inschriften bei öffentlichen Festen aus Schillers Tell nehmen, welcher immer noch das Beste für dieses Bedürfnis liefert. Und was die Wissenschaft betrifft, so bedarf diese gewiß noch weit mehr des großen Weltmarktes und zunächst der in Sprache und Geist verwandten größeren Völker, um kein verlorener Posten zu sein. Der französische Schweizer schwört zu Corneille, Racine und Moliere, zu Voltaire oder Guizot, je nach seiner Partei, der Tessiner glaubt nur an italienische Musik und Gelehrsamkeit und der deutsche Schweizer lacht sie beide aus und holt seine Bildung aus den tiefen Schachten des deutschen Volkes. Alle aber sind bestrebt, alles nur zur größeren Ehre ihres Landes zurückzubringen und zu verwenden, und viele geraten sogar über diesem Bestreben in ein gegen die Quellen undankbares und lächerliches Zopftum hinein.«
»Es ist vielleicht«, wandte Heinrichs Begleiter ein, »ein unbescheidener Mißbrauch, welchen ich mit einem wackeren Volke treiben möchte, wenn ich auf meiner alten Behauptung beharre und sogar wünsche, daß ihr es einmal versuchsweise darauf anlegtet, in allen Dingen ganz selbständig und naturwüchsig zu sein und ganz auf eurem Boden eine eigene Weisheit zu pflegen. Dem Lande wie seiner Verfassung eigenst angemessen, müßte gewiß etwas Frisches und für uns andere Erbauliches zustande kommen. Sie würden vielleicht umkehren, junger Mann, wenn Sie wüßten, wie sich bei uns großen Nationen die Bildung im ewigen Kreise herumdreht, wie einflußlos unsere Heroen, die in jedermanns Munde sind, an unserm innersten Herzen vorübergehen und wie bis zur dumpfen Verzweiflung sich Ungeschmack und Unsinn jeden andern Tag wieder so breit macht, als wäre er nie überwunden worden!« [...]
»Das ist eben die andere Seite! Es gibt zwar viele meiner Landsleute, welche an eine schweizerische Kunst und Literatur, ja sogar an eine schweizerische Wissenschaft glauben. Das Alpenglühen und die Alpenrosenpoesie sind aber bald erschöpft, einige gute Schlachten bald besungen, und zu unserer Beschämung müssen wir alle Trinksprüche, Mottos und Inschriften bei öffentlichen Festen aus Schillers Tell nehmen, welcher immer noch das Beste für dieses Bedürfnis liefert. Und was die Wissenschaft betrifft, so bedarf diese gewiß noch weit mehr des großen Weltmarktes und zunächst der in Sprache und Geist verwandten größeren Völker, um kein verlorener Posten zu sein. Der französische Schweizer schwört zu Corneille, Racine und Moliere, zu Voltaire oder Guizot, je nach seiner Partei, der Tessiner glaubt nur an italienische Musik und Gelehrsamkeit und der deutsche Schweizer lacht sie beide aus und holt seine Bildung aus den tiefen Schachten des deutschen Volkes. Alle aber sind bestrebt, alles nur zur größeren Ehre ihres Landes zurückzubringen und zu verwenden, und viele geraten sogar über diesem Bestreben in ein gegen die Quellen undankbares und lächerliches Zopftum hinein.«
»Es ist vielleicht«, wandte Heinrichs Begleiter ein, »ein unbescheidener Mißbrauch, welchen ich mit einem wackeren Volke treiben möchte, wenn ich auf meiner alten Behauptung beharre und sogar wünsche, daß ihr es einmal versuchsweise darauf anlegtet, in allen Dingen ganz selbständig und naturwüchsig zu sein und ganz auf eurem Boden eine eigene Weisheit zu pflegen. Dem Lande wie seiner Verfassung eigenst angemessen, müßte gewiß etwas Frisches und für uns andere Erbauliches zustande kommen. Sie würden vielleicht umkehren, junger Mann, wenn Sie wüßten, wie sich bei uns großen Nationen die Bildung im ewigen Kreise herumdreht, wie einflußlos unsere Heroen, die in jedermanns Munde sind, an unserm innersten Herzen vorübergehen und wie bis zur dumpfen Verzweiflung sich Ungeschmack und Unsinn jeden andern Tag wieder so breit macht, als wäre er nie überwunden worden!« [...]
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