08 Januar 2020

Stuart Jeffries: Grand Hotel Abgrund

Teil IV Kapitel 11: Im Bund mit dem Teufel
"[...] In der Dialektik der Aufklärung stellen Adorno und Horkheimer bestürzend unverhohlene Parallelen zwischen Hollywood und Hitlerdeutschland her. [...]"
"Herrschaft, Grausamkeit und Barbarei waren für Adorno und Horkheimer die unterdrückten Wahrheiten der Aufklärung. [...] In der Dialektik der Aufklärung wird die Entwicklung jenes Abstiegs der Menschheit nachgezeichnet, der mit Francis Bacons Werken begann, sich über Immanuel Kant Philosophie fortsetzte und in Hitlers Regime kulminierte. Katalysator für Ihre Gedanken Gebäude war der Umstand, dass der Mythos der Aufklärung als ein Erblühen der Reife, Freiheit und Autonomie des Menschen durch die Nationalsozialisten radikal infrage gestellt worden war. Statt zu moralischen Fortschritt, so ihre Argumentation, habe die Aufklärung zu einem Rückfall in Barbarei, Intoleranz und Gewalt geführt." 
(Stuart Jeffries: Grand Hotel AbgrundS. 283)

Seite 284-296 beziehen sich auf die Zusammenarbeit von Thomas Mann und Adorno 
am Doktor Faustus (besonders: Zur Musiktheorie).  Während lange der Anteil Adornos schwer zu bestimmen war, ist er aufgrund der Veröffentlichung des Briefwechsels Mann-Adorno inzwischen recht genau zu bestimmen..

"Kunst durfte nicht affirmativ sein; sie durfte weder zur Aufrechterhaltung noch zur Überwindung des Status quo benutzt werden. Dabei war es nur die Kunst, die die Wahrheit des Leidens zum Ausdruck bringen konnte, nur sie war vor der Versuchung gefeit, Leiden für andere Zwecke einzusetzen.
Das war es, worauf die Autonomie der Kunst, Adorno zufolge, letztlich hinauslief." (S. 295)

"Es waren nicht nur dessen öffentliche Redeauftritte und seine Polemiken, die Horkheimer Sorgen bereiteten, sondern auch die politischen Überzeugungen, die Habermas in seinen wissenschaftlichen Texten für das Institut zum Ausdruck brachte. 1957 verfasste er einen Aufsatz unter dem Titel "Zur philosophischen Diskussion um Marx und den Marxismus". [...] Horkheimer wollte Habermas herausdrängen. Er erreichte dieses Ziel trotz Adornos Bedenken mit einem cleveren Vorwand. Habermas beabsichtigte, seine Habilitation über den Struktur- und Funktionswandel in der bürgerlichen Öffentlichkeit zu schreiben [...] Horkheimer bestand jedoch darauf, dass Habermas sich zunächst einer anderen Studie zuwandte, die drei Jahre in Anspruch genommen hätte. Habermas kündigte darauf entnervt und ging nach Marburg, wo er seine Arbeit bei dem marxistischen Juristen Wolfgang Abendroth abschloss." (S.356/57)


Der Abschnitt zu Marcuse ab S.364 (Stuart JeffriesGrand Hotel Abgrundmit dem Hinweis "Der technische Fortschritt vermehrte die Bedürfnisse und die Mittel, sie zu befriedigen [...] gerade sie erhalten Unterwerfung und Herrschaft aufrecht" (Vernunft u. Revolution, S.371 f.) deutet im Lichte von FfF darauf hin, dass die durch fossile Energie mögliche Überproduktion einerseits erforderlich sein könnte, den in der kapitalistischen Konsumgesellschaft vorhandenen Widerspruch zu überdecken und zu unterdrücken, andererseits aber schon weltweit so weit getrieben ist, dass es schwerlich möglich ist, die Gesellschaft auf die Produktion nur des Lebensnotwendigen umzustellen. 

Zu Angela Davis* (S.380 ff.) "Sie erklärte, der überdurchschnittlich hohe Anteil an in Haft befindlichen farbigen Personen sei das Ergebnis einer Kapitalverlagerung weg von Dienstleistungen wie häusliche Arbeit und Pädagogik, die am Menschen ausgerichtet sind, hin zu profitablen Bereichen. 'Das führte dazu, dass es überall auf der Welt immens viele Menschen gibt, die nicht dazu in der Lage sind, sich selbst zu versorgen. Sie werden zum Überschuss und infolgedessen sind sie häufig gezwungen, in Sparten tätig zu sein, die als kriminell eingestuft werden. Also entstehen überall auf der Welt Gefängnisse, häufig mit Unterstützung privater Unternehmen, die von diesen überschüssigen Bevölkerungsanteilen profitieren.« (S.381)

Zum Treffen zwischen Marcuse und Jean-Paul Sartre: Sartre "machte sich Sorgen, wie er den Lunch überstehen würde, ohne die Wahrheit offenbarem zu müssen. 'Ich habe kein Wort von dem gelesen, was Marcuse geschrieben hat', vertraute er seinem zukünftigen Biografen John Gerassi an. »Ich weiß, dass er versucht, Marx und Freud zu verbinden. Und ich weiß, dass er studentische Aktivisten unterstützt. Aber ich kann unmöglich bis nächste Woche seine Bücher lesen. [...] Also kommen Sie bitte mit. Und wenn Marcuse zu philosophisch wird, wenn er auch nur ein einziges Mal das Wort Verdinglichung erwähnt, dann unterbrechen Sie ihn und sagen irgendetwas Provokatives und Politisches.«
Als es dann so weit war [...] verfiel Sartre auf eine geniale Strategie, mit der er sein Unwissen verbarg. Er stellte Fragen, die eine größere Vertrautheit mit Marcuses Werk vermuten ließen, als er tatsächlich hatte. 'Jedes Mal, wenn er antwortete, pickte ich mir eine scheinbare Schwachstelle aus seiner Antwort heraus und stellte eine weitere Frage. Da die Schwachstelle allerdings offensichtlich war, konnte er meine Frage zu seiner größten Zufriedenheit beantworten. Und so segelte er in seiner Selbstgefälligkeit glücklich dahin.' Das war tatsächlich so: Gerassi brachte Marcuse  zum Taxi, und Marcuse "schüttelte mir beide Hände mit echter Dankbarkeit und sagte: 'Ich hatte ja keine Ahnung, dass er mein Werk so gut kennt.' " (S. 386)

zu Adorno:

Zu Angela Davis:
*"Schwerpunkt ihrer Arbeit der vergangenen Jahre ist die Untersuchung des „Gefängnis-Industrie-Komplexes“, vor allem in den USA, die Verbindungen zwischen Unterdrückung aufgrund des Geschlechts, der Rasse und der Klasse nachzuweisen sucht." (Wikipedia)

Zu Walter Benjamin:

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