(Der Mann ohne Eigenschaften, 1. Buch 68. Kapitel)
"Und im Grunde dachte Walter, es wäre recht annehmbar, wenn sich das Schicksal nun zufrieden gäbe; dann wäre das Ende zwar nicht gerade das, was der Anfang hatte sein wollen, aber die Äpfel fallen ja, wenn sie reif sind, auch nicht den Baum hinauf, sondern zur Erde." (Der Mann ohne Eigenschaften, 2. Buch 19. Kapitel)
"Nach dem 1. Weltkrieg: Musil "definierte sich fortan als Autor, der den eigenen Tod überlebt hat. Anfang der 1920-er Jahre erwog er, seine Essys unter dem Titel "Versuche, einen anderen Menschen zu finden" herauszugeben. - und zwar als "Werk eines Toten". [... über Ulrich:] Was ihn zu einem "Mann ohne Eigenschaften" macht, ist nicht, dass er keine Eigenschaften hätte, Er hat dieselben, die alle seine Zeitgenossen haben, und die folglich - die "statistische Entzauberung bringt es zutage - nicht Eigenschaften, sondern "Allerschaften" sind. Doch sind sie ihm eben darum allesamt gleichgültig geworden." (Inka Mülder-Bach, Süddeutsche Zeitung 17./18.8. 2013)
"Kriegsausbruch und Kriegsende: Aus ihrer Verschränkung ergibt sich die Signatur der Epoche, an der sich sein
Schreiben fortan ausrichtete. Mit einem Mißtrauen gegen jede Art der
Reduktion von Komplexität, das nicht zuletzt durch die Erfahrung des
eigenen Einbruchs obsessive Züge gewann, hat er diese Signatur in der
mehr als zwanzigjährigen Arbeit am Mann ohne Eigenschaften rekonstruktiv und konstruktiv bearbeitet." (S.10)
"Die Strukturierungsangebote, die Der Mann ohne Eigenschaften macht, stammen aus der Feder eines Autors, der wußte, daß er mit dem Auslassen notorische Probleme hatte." (S.16)
"James Joyce bekannte einmal ironisch, von seinen Lesern nicht mehr zu verlangen, als daß sie sich lebenslang mit seinem Werk beschäftigen. Wenn Musil – mit anderer Ironie – bemerkte: »Es ist sehr anmaßend: ich bitte mich zweimal zu lesen, im Teil u. im Ganzen« (1941), dann gab er sich zwar bescheidener. Aber es läuft auf etwas Ähnliches hinaus. Auch Der Mann ohne Eigenschaften gehört zu der Klasse der Monstertexte, die ihre Leser mit Haut und Haar an sich fesseln und ihre Zeit verschlingen wollen. Die Hybris, die darin liegt, ist nicht nur Ausdruck der Vermessenheit des Autors. Sie ist auch ein Reflex der Maßlosigkeit, die dem Roman als literarischer Gattung innewohnt." (S.17)
"Die Strukturierungsangebote, die Der Mann ohne Eigenschaften macht, stammen aus der Feder eines Autors, der wußte, daß er mit dem Auslassen notorische Probleme hatte." (S.16)
"James Joyce bekannte einmal ironisch, von seinen Lesern nicht mehr zu verlangen, als daß sie sich lebenslang mit seinem Werk beschäftigen. Wenn Musil – mit anderer Ironie – bemerkte: »Es ist sehr anmaßend: ich bitte mich zweimal zu lesen, im Teil u. im Ganzen« (1941), dann gab er sich zwar bescheidener. Aber es läuft auf etwas Ähnliches hinaus. Auch Der Mann ohne Eigenschaften gehört zu der Klasse der Monstertexte, die ihre Leser mit Haut und Haar an sich fesseln und ihre Zeit verschlingen wollen. Die Hybris, die darin liegt, ist nicht nur Ausdruck der Vermessenheit des Autors. Sie ist auch ein Reflex der Maßlosigkeit, die dem Roman als literarischer Gattung innewohnt." (S.17)
(Inka Mülder-Bach: Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften; S.10ff.)
Aus der Rezension zu
"Das betrifft Musils opake Prosa, die das "Gefilz von Kräften" in der Moderne widerspiegle, das seinen suizidgefährdeten Helden in den "schlimmsten Notstand seines Lebens" treibt, ebenso wie Ulrichs Ausstieg aus der Eisenbahn zu Beginn des dritten Teils, die ihn aus der tobenden Großstadt zurück in seine gemütliche Heimatstadt transportiert hat. Denn damit führt Ulrich genau das aus, wovon der Erzähler etliche Kapitel vorher phantasierte, nämlich einmal auszusteigen aus dem "Zug der Zeit", der sich beschleunigenden Weltgeschichte, statt sich weiter wie alle anderen in eine ungewisse Zukunft transportieren zu lassen. An etlichen Passagen oder Szenen des Romans demonstriert Mülder-Bach so, wie der Roman das, wovon er in seinen berühmt-berüchtigten essayistischen Reflexionen oder in seinen Figurenreden spricht, mal umgehend, mal etliche Kapitel später, erzählerisch inszeniert oder in seiner Form performativ-ästhetisch darstellt. Und gelangt dabei zu einigen originellen Fragestellungen: Reflektiert die "Einrichtung" von Ulrichs Schlösschen, die Musils Held dem "Genie seiner Lieferanten" überlässt, metafiktional die literarische Institution "Roman"? Was hat die eigenartige Wahrnehmung des Lustmörders Moosbrugger im vergitterten Gefängniswagen mit den Untersuchungen des Gestaltpsychologen Max Wertheimer zum Phi-Phänomen zu tun? Und verbirgt sich hinter Ulrichs Diener vielleicht eine Persona des Autors?"
Inka Mülder-Bach: Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften
von Oliver Pfohlmann, FAZ 23.1.2014:
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