04 Juli 2020

Meine Leseerfahrungen in Sachen Golo Mann

Golo Mann im Interview mit Friedrich Luft (1963)

Golo Mann ist mir seit Jahren der Liebste aus der Ausnahmefamilie der Manns. Die Gründe habe ich hier schon einmal - etwas ungeordnet - zusammengestellt.

In Hessen bekamen Abiturienten eine Zeit lang die Kurzversion von Golo Manns "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts" vom Land Hessen geschenkt. !962 hatte der Kultusminister Schütte eine Sonderausgabe der Kapitel zu Weimarer Republik und NS-Zeit geschenkt. (Schütte bezeichnete Mann als den besten zeitgenössischen deutschsprachigen Historiker.) Meine Erinnerung an meine damalige Rezeption: Befremdlich fand ich, dass Hitler meist nur mit H bezeichnet war. Wie beeindruckt ich sonst war, besinne ich mich nicht. Vermutlich hat mich die auffallend subjektive Darstellungsweise, d.h. das Auftreten eines auktorialen Erzählers gestört.

Später habe ich mit Sicherheit einige seiner Beiträge gelesen, so weit sie in der ZEIT erschienen. Dann habe ich die Propyläen Weltgeschichte erworben und einiges darin gelesen. Ob ich jemals einen der Texte Golo Manns darin gelesen habe, bevor ich heute ausdrücklich nach welchen suchte, weiß ich nicht. Doch sagt das nicht, dass ich nicht welche geschätzt habe. Mit Sicherheit war mir Alfred Heuss, den ich als Universitätslehrer erlebt habe, interessanter.

Schätzen gelernt habe ich Golo Mann über den ersten Teil seiner Autobiographie Erinnerungen und Gedanken. Eine Jugend in Deutschland, noch mehr freilich durch die zwei Fernsehinterviews, über die ich mich seiner Person noch näher fühlte. Imponiert hat mir seine intellektuelle Redlichkeit ("Natürlich habe ich seinen Tod gewünscht." über das Schicksal eines Mannes, der deutscher Schriftsteller werden will, aber es im Schatten seines Vaters nicht kann/wagt (?)) und seine Bescheidenheit und Befangenheit, die dieser hochbegabte, hochgebildete Mann im Interview erkennen ließ. Dann,  dass er Karl Jaspers rückhaltlos lobte, den Mann, der ihm die Freundschaft aufkündigte, weil G. Mann Hannah Arendt scharf kritisiert hatte. Ja, G. Mann brachte dann sogar Verständnis für Jaspers' Reaktion auf, weil er erfuhr, dass Jaspers persönliche Loyalitäten sehr wichtig waren. (Er hatte Thomas Mann nicht öffentlich kritisiert, weil er das seinem Freund Golo Mann nicht antun wollte.)
"Wallenstein. Sein Leben erzählt von Golo Mann" habe ich mit einiger Mühe gelesen, weil ich über meinen Bruder lange über das Buch wusste und es mir zugänglich wurde (ausgeliehen, Geschenk?). Ich habe dann einen Wikipediaartikel dazu verfasst.
Den literarischen Stil habe ich meiner Erinnerung nach wiederum nicht geschätzt.

Jetzt habe ich Tilmann Lahmes Biographie Golo Manns endlich lesen können. Ein großer Erkenntnisgewinn, der die schweren Erfahrungen Manns deutlich vor Augen führen.
Freilich, im Vergleich zu der Biographie lese ich die autobiographischen Golo Manns viel lieber. Da passt der persönliche Erzählton und es rührt mich an, was er erzählt und was er weglässt. Freilich, mein Verständnis für die Person ist durch Lahmes Informationen gewachsen.

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Marcel Reich-Ranicki über Golo Mann (Youtube 62,5 Min.) - sehr treffend, aber gewiss weniger bescheiden und nicht von vornehmer Zurückhaltung - wie auch!
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