20 Juli 2022

Hennig Ritter: Die Eroberer. Denker des 20. Jahrhunderts

Hennig Ritter: Die Eroberer. Denker des 20. Jahrhunderts, Beck 2008

 Sigmund Freud S.13 ff.

"Was das Unbehagen in der Kultur der Gegenwart so weit entrückt, sind die Erwartungen, die sich immer noch an die Kultur richten, nun aber verkürzt auf Erlebnisse. Kultur ist heute ein Gegenwartserleben, das die vergangene Kultur unter dem Gesichtspunkt ihrer gegenwärtigen Genießbarkeit bruchlos einbezieht. Was dem einen der neueste Film, ist dem anderen die Kathedrale in den Osterferien. Da kommt ein Unbehagen allenfalls durch misslingende Erlebnisse auf. Für Freud war die höhere Kultur wesentlich Entschädigung für Enttäuschungen und produzierte wiederum Enttäuschungen." (S.28)

Franz Kafka  S.33 ff.

Der Verschollene, Der Process  Das Schloss (Wikipedia)

Der Verschollene (Deutungsansätze für den schulischen Gebrauch)

Ludwig Wittgenstein S.49 ff.

Aby Warburg S. 71 ff. (Kunsthistoriker)

Ikonographie, Ikonologie

Warburgs Bildatlas: Mnemosyne

Agambens Beitrag zu Warburgs Bildatlas

Walter Benjamin S.85 ff.

Das "Fortleben sei nicht etwas vom Leben Abgesetztes [...] Vielmehr soll es ein dem Subjekt entzogener Teil seines Lebens sein, ein Unpersönliches im Persönlichen.

Benjamins Schriften zielen offenbar auf Ähnliches. Sie enthalten einen Anteil von subjektiv Unfassbarem, suchen dem mit der Erfahrung des Subjekts nicht Vermittelbaren Raum zu geben und das Subjekt zum Schauplatz von etwas ihm Inkommensurablen zu machen. [...] Dem Misstrauen Walter Benjamins gegen das Nachleben der Werke als gegen ein ihnen Fremdes antwortet seine Absicht, in seinen Schriften authentisch fremdem Einlass zu verschaffen. Darauf verweist eine / Eigenart, die Scholem an ihm bemerkte: die Verwechslung von Persönliche und Unpersönlichen."  (S.87/88) 
 "[...] Benjamins Unverstehbarkeit. Man mag herausgreifen, was irgend ihm wichtig war, immer ist die Formulierung wie versiegelt gegen ein natürliches Verständnis, als sei es ihm darum gegangen, den Gedanken unbrauchbar zu machen für jede ihm zugedachte Verwendung." (S.88)
"Hierher gehört auch Benjamins merkwürdige Begabung für glasklar wirkende Definitionen, die freilich nicht erhellen, sondern verdunkeln. In einer Diskussion über Anschauung formuliert er: 'Gegenstand der Anschauung ist die Notwendigkeit eines sich im Gefühl als rein ankündigenden Inhalts, wahrnehmbar zu werden. Das Vernehmen dieser Notwendigkeit heißt Anschauen.' Wegen solcher Gegensinnigkeit fügt sich Benjamins Denken auch keiner der ihm nahestehenden Gattungen. (S. 89)
"Alle Umwege sind recht, solange sie nicht zum Ziel führen, so könnte Benjamins Devise gelautet haben." (S.89)
In keinem anderen sonst hat Benjamin sich selbst so unverhüllt porträtiert wie in Kafka: 'Um Kafkas Figur in ihrer Reinheit und ihrer eigentümlichen Schönheit gerecht zu werden, darf man das Eine nicht aus dem Auge lassen: es ist die von einem Ge/scheiterten. Die Umstände dieses Scheitern sind mannigfache. Man möchte sagen: war er des endlichen Misslingens erst einmal sicher, so gelang ihm unterwegs alles wie im Traum. Nichts denkwürdiger als die Inbrunst, mit der Kafka sein Scheitern unterstrichen hat.' [...] 
So erkennbar hat Benjamin sich nirgends sonst beschrieben." (S. 89/90)

Sein Passagenwerk* sollte ursprünglich nur aus Zitaten bestehen, dem ihm Inkommensurablen. Nachdem er sich von Adorno von dieser Form hat abbringen lassen, ist es unvollständig geblieben, also "gescheitert".

* "Die Fragmente des eigentlichen Passagenwerks kann man den Baumaterialien fiir ein Haus vergleichen, von dem nur gerade erst der Grundrifi abgesteckt oder die Baugrube ausgehoben ist. Mit den beiden Exposes, die der Ausgabe voranstehen, hat Benjamin seinen Plan in großen Strichen entworfen, so wie er ihm 193 5 und 1939 vor Augen stand: den sechs, bzw. fiinf Abschnitten der Exposes sollten ebenso viele Kapitel seines Buches oder, um im Bild zu bleiben, ebenso viele Geschosse in dem zu bauenden Haus entsprechen. Neben der Baugrube findet man die Exzerpte aufgehäuft, aus denen die Mauern errichtet worden waren.  Benjamins eigene Reflexionen aber hatten den Mörtel abgegeben, durch den das Gebäude zusammenhalten sollte. Von solchen theoretischen und interpretierenden Reflexionen sind zwar zahlreiche vorhanden, doch am Ende schei-nen sie hinter dem Exzerptenbestand fast verschwinden zu wollen. Der Herausgeber hat zuzeiten gezweifelt, ob es sinnvoll wäre, diese erdrückenden Zitatmassen zu veröffentlichen; ob er sich nicht besser auf den Abdruck der Benjaminschen Texte beschränkte, die leicht in eine lesbare Anordnung gebracht werden konnten und eine konzentrierte Sammlung funkelnder Aphorismen und beunruhigender Fragmente ergeben hatten. Indessen wäre das mit dem Passagenwerk Projektierte dahinter nicht einmal mehr zu erahnen gewesen. Benjamins Absicht war, Material und Theorie, Zitat und Interpretation in eine gegenüber jeder gängigen Darstellungsform neue Konstellation zu bringen, in der alles Gewicht auf den Materialien und Zitaten liegen und Theorie und Deutung asketisch zurücktreten sollten. Als »ein zentrales Problem des historischen Materialismus«, das er mit dem Passagenwerk zu lösen gedachte, hat er die Frage bezeichnet, »auf welchem Wege es möglich [sei], gesteigerte Anschaulichkeit mit der Durchführung der marxistischen Methode zu verbinden." (S.12/13) (Einleitung des Herausgebers des Passagenwerks: Rolf Tiedemann)

Carl Schmitt S.111 ff.

"Das Nachleben von Carl Schmitt ist merkwürdige Wege gegangen. War lange Zeit von ihm nur als vom nationalsozialistischen 'Kronjuristen' die Rede – eine Bezeichnung, die sein früherer Schüler, Waldemar Gurian, lanciert hatte –, so erlebte sein Werk nach seinem Tode eine erstaunliche Auferstehung: In Italien, in Frankreich in den Vereinigten Staaten wurden Hauptwerke und Nebenwerke, seine Abhandlungen "Politische Theologie", "Der Begriff des Politischen", "Der Nomos der Erde", "Theorie der Partisanen" übersetzt und diskutiert. Die Erklärung für diesen postumen Triumph, der Carl Schmitts Präsenz in den letzten Jahrzehnten seines Lebens – er starb 1985, drei Jahre vor seinem hundertsten Geburtstag – weit übertrifft, harrt noch einer Erklärung." (S.111)

Alexandre Kojève S.125

Kojève faszinierte vor allem in Frankreich durch seine Interpretation von Hegels Phänomenologie des Geistes, nach der das Ende der Geschichte erreicht sei. Ob der Weltstaat durch einen Sieg des Kommunismus erreicht würde (weil der Kapitalismus nicht anpassungsfähig genug sei) oder dadurch, dass kapitalistische und kommunistische Ökonomien sich integrierten, sei dabei nicht einmal sehr wesentlich. (S.126/27)

André Malraux S.133

Anthony Blunt, S.145 ff. (Kunsthistoriker und Doppelagent)

Doppelagenten (Cambrige Five): Kim Philby, Donald Maclean, Guy BurgessJohn Cairncross u. Blunt 

Elias Canetti, S.167 ff.

Isaiah Berlin S.181 ff. (politischer Philosoph)

Die Gedanken Berlins über historische Größe:
"Immer gehört zu ihr eine starke historische Imagination, nicht aber die Fixierung auf ein visionäres Ziel. Viel mehr weiß historische Größe sich von den doktrinären Vorgaben der Visionäre frei zu machen. Sie vollbringt das Unwahrscheinliche kraft eines untrüglichen Realitätssinnes und nicht auf seine Kosten. Historische Größe ist für Berlin ein Beweis der Freiheit gegen den historischen Determinismus." (S.185)

Claude Lévi-Strauss S.205 ff.

"Während es für den Autor der 'Traurigen Tropen' noch einer ungewöhnlichen intellektuellen Anstrengung bedurfte, um der exotischen Versuchung zu widerstehen, liegt es heute für jedermann auf der Hand, dass der Zauber des Exotischen nur über denjenigen doch etwas vermag, der betrogen sein will. Fünfzig Jahre haben genügt, um zu einer banalen Einsicht werden zu lassen, dass es das Fremde nicht gibt, weil es nur um den Preis seiner Deformation zu haben ist. Wir leben überall die Umkehrung der Devise von Jean de Léry: Das Haben hat sich des puren Sehens vorweg bemächtigt. Den [...] Betonburgen des sozialen Fortschritts, sind die Ghettos der völlig Mittellosen gefolgt, die den Müllbergen der Zivilisation und den Schlachtfeldern der Naturzerstörung ähnlicher sind als allen noch so rudimentären Lebensordnungen, welche die Anthropologen bisher / zu erfassen suchten. Die 'teilnehmende Beobachtung', auf die sie sich so viel zugute hielten und die auch früher schon ihren Preis gehabt hat, würde heute von ihnen verlangen, die Hungerepidemien zu teilen, denen die Reste der ehedem mit fürsorglichem Paternalismus 'primitiv' genannten Völker erliegen. Oder sie müssten sich als Berater an der Seite der Hilfsorganisationen engagieren, deren Interventionen heute jedoch schon mit dem Etikett des 'philanthropischen Imperialismus' versehen werden." (S.211)

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