09 Juli 2022

Kurt Bangert: Und sie dreht sich doch

 Kurt Bangert: Und sie dreht sich doch. 50 Antworten auf die Frage, wie alles begann, Theiss Verlag 2015

Den Ursprung aller Berichte über eine Sintflut sieht Bangert in einem Salzwassereinbruch ins Schwarze Meer. In dem Gebiet, das zu dieser Zeit überflutet wurde, ortet Bangert Atlantis, das sagenhafte Reich, von dem Plato berichtet.

Dazu muss er das Atlas-Gebirge mit den Karpaten identifizieren. Als die Sage entstand, hätten die Griechen der Urzeit nur den östlichen Teil des Mittelmeers gekannt und nichts über den Westen gewusst. Die späteren Griechen hätten den Ort der Sage dann in den weitesten ihnen bekannten Westen verlegt: zum Atlas-Gebirge, der Straße von Gibraltar und dem Atlantik. 

Wenn Bangert den Leser so weit geführt hat, hat er ihn darauf vorbereitet, dass alle  des Indogermanischen Sprachen auf die Sprache der alten Hochkultur zurückzuführen seien, deren Gebiet bei dem Wassereinbruch ins Schwarze Meer überschwemmt wurde,  Die Zeichen auf dem Noahs Teller* (S.132), der im Schwarzen Meer gefunden wurde, seien Beleg für die frühe Schrift der Schwarzmeer-Hochkultur, die schon vor den Sumerern eine Schrift* entwickelt hätten. Beleg dafür seien Ähnlichkeiten des Lettischen und der sumerischen Sprache. (S.131)

*

Sensationsfund im Schwarzen Meer (Yumpu.com 14.5.2018)
Das zugrunde liegende Buch:
Petko Dimitrov Dimitar Dimitrov: The Black Sea,the Flood and the Ancient Myths, 2004

*"Die verwendete Schrift lässt allerdings keine Rückschlüsse auf die Sprache zu, es ist daher falsch, diese Schrift im strengen Sinne als sumerisch zu bezeichnen." (Wikipedia)

Die Platten bewegen sich mit mehreren Zentimetern pro Jahr. Drei Arten: Sie bewegen sich aufeinander zu, eine schiebt sich unter die andere (es bilden sich Gebirge), sie bewegen sich voneinander fort (es entstehen Grabenbrüche und aus dem Erdinneren kommt neues Gestein nach oben. Oder sie bewegen sich seitlich gegeneinander und verhaken sich dabei (führt zu "katastrophalen Erdbeben" (S.213) An einem Küstenstrich in der Nähe von Wellington (Neuseeland) hob sich die Erde um mehrere Meter (Wairarapa-Erdbeben), die Platten verschoben sich um etwa 18,5 Meter gegeneinander. (S.216)

Dekohärenz (S.200)

"Die Einbeziehung der Quantenmechanik bedeutet, dass in dieser Welt grundsätzlich auch Dinge passieren können, für die es keinerlei Erklärungen und Gründe geben muss außer der Tatsache, dass sie passieren." (S. 201)
Diese Aussage steht im Widerspruch zu Bangerts Aussage auf Seite 304: "Denn irgendeine Ursache muss der Urknall gehabt haben; sonst wäre er nicht passiert." (S 304)

Freilich auf den folgenden Seiten vermisst er dann nicht eine Ursache des Urknalls, sondern die Alternativlosigkeit der Erklärung, weshalb er auch andere Theorien zur Entstehung des Weltalls referiert:
chaotische Inflationewige Inflation,
Theorie der MultiversenStringtheorie (S.310-318  Andrei Linde)

"Leben ist im wesentlichen Komplexität. [...] Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und wage zu behaupten, dass es eine "unbelebte Materie" im tiefsten Grunde überhaupt nicht gibt, weil jede Materie, jedes Atom, jedes Elektron, jedes Quark, jedes Boson sich ständig bewegt und verändert und in sich den Keim der Komplexität und Konvergenz trägt. Bewegungen und Veränderungen waren schon seit jeher wesentliche Eigenschaften der Materie und des Lebens. Der Begriff "tote Materie" erscheint mir nur eine Illusion zu sein. Im Anorganischen ist das Organische ebenso gegenwärtig wie im Organischen das Anorganische präsent ist. Die Materie ist in sich lebendig – vielleicht nicht in einem strengen biologischen oder zoologischen Sinn, aber doch in einer erweiterten philosophischen Betrachtungsweise." (S. 347)

Nach dem was Bangert über schwarze Löcher geschrieben hat, erscheint die Argumentation nicht so zwingend. Innerhalb eines schwarzen Loches dürfte nicht sehr viel Bewegung herrschen.
Und was nach dem, was man über die Masse der schwarzen Löcher im Weltenraum weiß*, und über die unsichtbare Materie und Antimaterie, dürfte die tote Materie doch die bewegte, bzw. die ständig sich hin und her bewegende Materie an Masse übertreffen.
*"Das massereichste Schwarze Loch, das Astronomen bisher ausgemacht haben, soll stolze 10 Milliarden Sonnenmassen haben [...] (S.279)

Gegen meine Kritik würde Bangert  sicher  Quanteninformationen (S.352ff.) anführen (vgl. Thomas u. Brigitte GörnitzDer kreative Kosmos; Geist und Materie aus Quanteninformation. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002). Jedoch heißt es zu den Quanteninformationen in der Wikipedia: "Unterschiedliche Definitionen des Begriffs Quanteninformation werden diskutiert[1]. Bisher (2020) konnte keine davon allgemeine Akzeptanz finden." Mit einem nicht allgemeingültigen Begriff wird man sicher keine allgemeingütigen Aussagen erhärten können. Bangert selbst sagt über diese Q-infos, dass ihnen "zunächst noch keine faktische Realität, sondern nur eine Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit innewohnt". (S.353) 'keine faktische Realität' größer kann die Gemeinsamkeit mit Fake News definitionsgemäß kaum formulieren. Allerdings ist zu beachten, dass Q-infos definitionsgemäß "zunächst bedeutungslos" (S.353/54) sind, wobei dem zunächst vor Entstehung der Zeit  auch schwerlich eine Bedeutung zugeschrieben werden kann. Th. u. B. Görnitz argumentieren dazu: "Die abstrakte Quanteninformation ist so real wie Materie und Energie und kann auf bei/des wirken". (S.354) So viel darf man Th. u. B. Görnitz zugestehen, ohne zu wissen, was man versteht, kann man schwerlich verstehen, sondern allenfalls Verständnis haben. Und das habe ich für ein Ehepaar, das sich zur Aufgabe gesetzt hat, aus einem bedeutungslosen Undefinierten die Entstehung des Weltalls aus dem Nichts zu erklären. 
Von Quanteninformation kommt Bangert zu Qubit (S.354) (Der Wikipediaartikel dazu liefert eine mit Sicherheit nicht allgemeinverständliche Erklärung, reizt aber dazu an, eine verständlichere Erklärung zu suchen. Kein Wunder, dass die auf Qubits basierenden Quantencomputer  unsäglich schnell rechnen, freilich bisher nur bei speziellen Aufgaben, für die sie geeignet sind.

Mich persönlich freut die Erläuterung von Hans Christian von Baeyer (in: Das informative Universum) gibt, und die Bangert auf S.354 zitiert:
"Wir haben zwar keine Vorstellung, wie die Natur wirklich aufgebaut ist, und wir sollten diese Frage auch nicht stellen, doch wir wissen, dass sich unser Wissen über die Natur in Form von Bits quantisieren lässt und daher die Welt quantisiert erscheint. Wäre das nicht der Fall, könnten wir sie auch nicht verstehen. So einfach ist die Sache und gleichzeitig so tiefgründig."

Denn er formuliert Kants grundlegende Erkenntnis, dass wir die Dinge nur so verstehen können, wie sie sich für uns darstellen. Dass sich menschliches Verstehen weit über Anschauung und die von Kant entwickelten Kategorien hinaus entwickelt hat und dass ein Verhältnis von Ursache und Wirkung für uns keine notwendigen Denkvoraussetzungen sind, verändert freilich die Form, in der sie sich inzwischen für uns darstellen. 



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