01 Juli 2018

Joseph und Asanath

26. Kapitel: Asenaths Rettung
1
Und Asenath stand in der Frühe auf
und sprach zu Joseph:
Ich will auf unser Erbgut gehen, wie du gesagt;
doch meine Seel ist voller Angst,
weil du nicht bei mir bist.
2
Und Joseph sprach zu ihr:
Sei guten Muts, hab keine Angst!
Geh vielmehr freudig hin!
Hab doch vor niemand Angst!
Der Herr ist ja mit dir
und er behütet dich
wie einen Augapfel vor allem Ungemach.
[534]
3
Auch ich geh jetzt zu meiner Kornverteilung
und geb dort allen Leuten in der Stadt Getreide,
daß niemand im Ägypterlande Hungers sterben muß.
4
Alsdann begab sich Asenath auf ihren Weg,
und Joseph ging zu seiner Kornverteilung.
5
Und Asenath kam an die Schlucht mit den 600 Männern;
da sprangen plötzlich die beim Sohne Pharaos aus ihrem Hinterhalt
und kämpften mit den Männern bei der Asenath
und hieben sie mit ihren Schwertern all zusammen
und töteten all ihre Leichtbewaffneten
und Asenath ergriff die Flucht auf ihrem Wagen.
6
Doch da erkannte Levi, Lias Sohn,
all das im Geist, wie ein Prophet,
und meldet seinen Brüdern die Gefahr der Asenath.
Schnell nimmt ein jeglicher sein Schwert an seine Hüfte
und ihre Schilde an die Arme
und Lanzen in die rechte Hand
und laufen hinter Asenath in schnellem Laufe her.
7
Und wie nun Asenath nach vornen floh,
zog ihr der Sohn des Pharao
mit seinen fünfzig Reitern schon entgegen.
8
Als Asenath ihn sah,
ward sie von Furcht erfüllt
und zitternd rief sie ihres Gottes und Herren Namen an.

27. Kapitel: Der Kampf
1
Und Benjamin saß ihr zur Rechten auf dem Wagen
und Benjamin war ein gar kräftiger Bursch von neunzehn Jahren;
er war von einer wunderbaren Schönheit
und einer Stärke, wie ein Löwenjunges;
er war sehr gottesfürchtig.
2
Da sprang vom Wagen Benjamin herab,
nahm aus dem Bache einen runden Stein,
legt ihn in seine Hand
und schleudert ihn gen Pharaos Sohn
und trifft ihn an die linke Schläfe
und schlägt ihm eine schwere Wunde.
3
Halbtot fällt er vom Pferd zu Boden.
4
Und gleich darauf läuft Benjamin auf einen Felsen
und ruft dem Wagenlenker Asenaths zu:
Hol aus dem Bach mir Steine!
5
Er gab ihm fünfzig Steine;
so tötete nun Benjamin mit Steinwürfen
die fünfzig Männer bei dem Sohn des Pharao.
die Steine drangen all durch ihre Schläfen.
6
Alsdann verfolgten Lias Söhne, Ruben, Simeon
und Levi, Juda,
[535]
und Issachar mit Zabulon
die Männer, die der Asenath aufgelauert,
und überfielen sie ganz unversehens;
sie hieben allesamt sie nieder,
und die sechs Männer töteten 2706.
7
Die Söhne Ballas und der Zelpha flohen
vor ihnen mit den Worten:
„Zugrunde gehen wir durch unsere Brüder,
und Pharaos Sohn starb durch die Hand des jungen Benjamin,
und all die Seinen fielen durch die Hand des Knaben Benjamin.
8
Nun also kommt!
Wir wollen Asenath und Benjamin erschlagen
und dann in diesen Rohrwald fliehen!“
9
Sie gingen mit gezückten Schwertern voller Blut zu Asenath.
10
Als Asenath sie sah,
ward sie von Furcht erfüllt und rief:
Herr, Gott! Du hast das Leben mir geschenkt
und mich befreit von Götzenbildern,
von tödlichem Verderben,
hast mir verheißen,
es werde meine Seele ewig leben.
Befrei mich jetzt von diesen bösen Männern!
11
Und Gott der Herr erhört die Stimme Asenaths,
und augenblicklich fielen ihrer Feinde Schwerter
aus ihrer Hand zu Boden
und wurden Staub.

28. Kapitel: Asenaths Großmut
1
Als Ballas und der Zelpha Söhne dieses seltsam Wunder sahen,
da sprachen sie voll Furcht:
„Es kämpft der Herr zugunsten Asenaths jetzt gegen uns.“
2
Da fielen sie auf ihr Gesicht zur Erde
und warfen sich der Asenath zu Füßen mit den Worten:
„Erbarm dich unser, deiner Sklaven,
dieweil du unsere Herrin bist und unsere Königin!
3
Wir handelten an dir gar schlimm,
sowie an unserem Bruder Joseph;
der Herr jedoch vergalt uns schon nach unseren Werken.
4
Deswegen flehen wir dich an, wir deine Sklaven:
Hab Mitleid mit uns Armen, Elenden!
Schütz uns vor unserer Brüder Hand!
Sie mögen nicht als Rächer auftreten,
daß wir dich unterdrücken wollten!
Nicht mögen ihre Schwerter gegen uns sich wenden!
5
Wir wissen ja,
daß unsre Brüder gottesfürchtige Männer sind
und keinem Menschen Böses tun für Böses.
[536]
6
Schütz deine Sklaven
vor jenen, ach du unsre Herrin!“
7
Da sprach zu ihnen Asenath:
„Seid guten Muts;
habt keine Furcht vor euren Brüdern!
Sie sind ja gottesfürchtige Männer
und voller Furcht des Herrn.
Geht aber in den Rohrwald dort,
bis ich zu euren Gunsten sie hab umgestimmt
und ihren Zorn beschwichtigt
für das, was ihr so schrecklich gegen sie gewagt!
Indessen sieht’s der Herr
und richtet zwischen mir und euch.“
8
Da flohen in den Rohrwald Dan und Gad;
doch ihre Brüder, Lias Söhne, eilten, wie die Hirsche,
gar eifrig gegen sie heran.
9
Da stieg von ihrem überdachten Wagen Asenath herab
und reichte unter Tränen ihnen ihre Rechte;
sie aber warfen huldigend vor ihr sich hin
und brachen in ein lautes Weinen aus
und fragten nach den Brüdern, nach den Mägdesöhnen,
um sie zu töten.
10
Da sprach zu ihnen Asenath:
„Ich bitt euch: Schoner eure Brüder!
Vergeltet ihnen nimmer für das Böse Böses!
Der Herr hat mich vor ihnen ja gerettet.
Denn er zerbrach in ihren Händen ihre Degen, ihre Schwerter;
sie schmolzen hin und wurden Asche,
wie Wachs vorm Feuer,
und dies ist uns genug
daß selbst der Herr mit ihnen kämpft zu unsern Gunsten.
11
Nun schonet eure Brüder!
Sie sind ja eure Brüder,
von eures Vaters Israel Blut.“
12
Darauf erwiderte ihr Simeon:
„Warum spricht unsere Herrin gute Worte
zugunsten ihrer Feinde?
13
Nein! Lieber wollen wir sie Glied um Glied
mit unsern Schwertern jetzt zusammenhauen.
Sie planten Schlimmes gegen unsern Bruder Joseph
und unsern Vater Israel
und gegen dich heut, unsere Herrin.“
14
Da streckte Asenath die Rechte aus,
berührte Simeons Bart
und küßte ihn und sprach:
„In keiner Weise, Bruder, darfst du deinem Nächsten
für Böses Böses auch vergelten.
Der Herr würd eine solche Überhebung rächen.
[537]

Sie sind nun einmal eure Brüder
und eures Vaters Israel Geschlecht;
sie flohen ja auch weit von euch hinweg.
Verzeihet ihnen doch!“
15
Da trat nun Levi auf sie zu
und küßte ihr die rechte Hand;
er sah, daß sie vor ihrer Brüder Zorn die Männer retten wollte,
daß diese sie nicht töteten.
16
Und diese selber waren in der Nähe in dem Röhrendickicht:
17
Obgleich ihr Bruder Levi dieses wußte,
verriet er es den Brüdern nicht;
er fürchtete,
in ihrem Zorne würden sie die Brüder niederschlagen.

(Joseph und Asenath Kapitel 26-28
Paul Rießler: Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel S. 533–537)

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