"[...] Seine viel geschmähte Rede 1998 in der Frankfurter Paulskirche ist ein Beleg dafür, dass Walser in der Lage war, Wahrheiten zu sagen, die niemand hören wollte: „Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule oder auch nur Pflichtübung.“ Das ist natürlich völliger Unsinn. Nichts eignet sich so gut für diese drei Zwecke wie Auschwitz. Das wissen wir, weil wir es erlebt und praktiziert haben. Die Nachkriegsgeneration wusste diese Keule sehr gut einzusetzen gegen ihre Väter und Mütter und auch Martin Walser hatte sie einzusetzen gewusst. Die Rede von 1998 stellte denen, die ihm zuhörten, die Aufgabe, auf dieses probate Mittel zu verzichten. Privat und öffentlich.
Nicht, um nicht mehr über Auschwitz zu sprechen, sondern um endlich wieder darüber sprechen zu können. Dass Walser behauptete, Auschwitz eigne sich nicht dazu, missbraucht zu werden, ist ein erzählerischer Trick, der dem Zuhörer vorgibt, ihn an einer Stelle abzuholen, an der er nicht ist. Das zeigten dann auch die Reaktionen. Die belegten, wie recht er mit seiner Kritik hatte. [...]" (Arno Widmann: Schriftsteller Martin Walser gestorben: Ein Werk wie ein Gebirge FR 31.7.23)
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