"[...] Heute vor neunzig Jahren wurde Cees Nooteboom in Den Haag geboren. Er ist ein großer Europäer. Er ist es nicht nur, weil er einer der bedeutendsten Autoren des Kontinents ist. Jahrzehntelang setzte er sich unermüdlich ein für ein über die nationalen Grenzen hinausgehendes Europa. Er hielt Vorträge in Holländisch, Spanisch, Deutsch, Englisch und Französisch. In vielen Ländern. Auf die Frage, wie er denn ein solcher Polyglot geworden sei, antwortete er lächelnd: „Wir aus den kleinen Nationen mit den kleinen Sprachen wissen schon bald, dass wir die anderen Sprachen lernen müssen. [...]
Als nach dem Mauerfall sich die Frage nach einer Neuordnung Europas stellte, da half Cees Nooteboom mit viel gelesenen Reden uns dabei, über den westeuropäischen Horizont hinauszublicken. Ich habe nicht vergessen, wie er in einer Veranstaltung in Berlin über einen Besuch in Frankfurt/Oder erzählte. Er hatte dort eine Lesung gehabt. Was machen wir jetzt? fragte man ihn. Gehen wir doch über die Oderbrücke und unterhalten uns weiter in einer polnischen Kneipe, schlug er vor. So geschah es. Frankfurts Bürgermeister erklärte ihm an diesem Abend, er sei noch nie die paar Schritte hinüber nach Polen gegangen. Ich hörte ihm zu und dachte: Ich war auch noch nie in Polen. Nooteboom zeigt uns, dass es ganz einfach ist, solche Schritte zu tun. Er zeigt es uns nicht nur, er verführt uns auch dazu. [...]" (Arno Widmann: Das Ich und die anderen in FR 31.7.23)
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