19 Juli 2023

Charles de Coster: Ulenspiegel 1. Buch 37. Kapitel: Ein Hexenprozess

 

XXXVII

Katheline kurierte zu dieser Zeit einen Ochsen, drei Schafe und ein Schwein, die Speelman gehörten, aber eine Kuh, die Jan Beloen gehörte, vermochte sie nicht zu heilen. Deshalb klagte er sie der Hexerei an. Er bekundete, daß sie das Tier bezaubert habe, was schon daraus hervorgehe, daß sie, während sie ihm die Mittelchen gegeben habe, es geliebkost und zu ihm gesprochen habe, ohne Zweifel in einer teuflischen Sprache, denn eine ehrsame Christin dürfe ja nicht zu einem Tiere sprechen.

Besagter Jan Beloen fügte noch hinzu, daß er Speelmans Nachbar sei, dessen Ochsen und Schafe und dessen Schwein sie kuriert habe, und wenn sie seine Kuh getötet habe, so sei das ohne Zweifel auf Speelmans Anstiftung geschehen, der auf sein, Beloens, Land eifersüchtig sei, da es besser bestellt und reicher tragend sei als das seine, nämlich Speelmans. Auf die Zeugenaussagen Jan Beloens und des Pieter Meulemeester hin, eines Mannes von rechtschaffener Lebensführung und guten Sitten, die bekundeten, daß Katheline in Damme als Hexe gelte und ohne Zweifel die Kuh getötet habe, wurde Katheline in den Kerker geworfen und verurteilt, so lange gefoltert zu werden, bis sie ihre Verbrechen und Missetaten eingestünde.

Sie wurde von einem Schöffen verhört, der immer zornig war, denn er trank den ganzen Tag Branntwein. Vor ihm und den Leuten der »Vierschar« wurde Katheline auf die erste Folterbank gebracht. Der Henker zog sie nackend aus, schor ihr am ganzen Körper die Haare ab und sah überall nach, ob sie nicht irgendein zauberisches Amulett verberge. Nachdem er nichts gefunden hatte, band er sie mit Stricken auf die Folterbank.

Da sprach sie: »Ich schäme mich, vor diesen Männern so nackt zu sein, heilige Maria, mache, daß ich sterbe!«

Der Henker legte ihr feuchte Leinwand auf Brust, Bauch und Beine, dann hob er die Bank hoch und schüttete ihr eine so große Menge heißen Wassers in den Magen, daß sie ganz aufgebläht wurde. Dann ließ er die Bank zurückfallen.

Der Schöffe fragte Katheline, ob sie ihr Verbrechen gestehen wolle. Sie verneinte durch eine Wendung des Kopfes, und der Henker goß weiter heißes Wasser in sie, aber Katheline erbrach alles. Sodann wurde sie auf Geheiß des Chirurgen losgebunden. Sie sprach kein Wort, schlug sich aber die Brust, um zu bedeuten, daß sie von dem heißen Wasser verbrüht sei. Als der Schöffe sah, daß sie sich von dieser ersten Folter erholt hatte, sagte er zu ihr: »Bekenne, daß du eine Hexe bist und einen Zauber über die Kuh geworfen hast.« »Ich bekenne nicht!« sagte sie. »Ich liebe alle Tiere mit der Kraft meines schwachen Herzens und würde eher mir selbst ein Übel tun als ihnen, die sich nicht verteidigen können. Ich habe alle Mittel, die es gibt, angewendet, um die Kuh gesund zu machen.«

Aber der Schöffe sagte: »Du hast ihr Gift gegeben, denn die Kuh ist tot.« »Mein Herr Schöffe«, antwortete Katheline, »ich stehe hier vor Euch, in Eurer Macht, und wage dennoch, Euch zu sagen, daß ein Tier trotz Beistand des Arztes an einer Krankheit sterben kann wie ein Mensch. Und ich schwöre beim Herrn Christus, der für unsere Sünden am Kreuze verstarb, daß ich dieser Kuh nichts Schlimmes tun, sondern sie durch einfache Heilmittel gesund machen wollte.« 

[...] 

Um elf kamen sie zurück und fanden Katheline starr und regungslos dasitzend vor. Der Gerichtsschreiber sagte: »Ich denke, sie ist tot.« Der Schöffe befahl dem Henker, Katheline vom Deckel zu nehmen und ihr die Schuhe von den Füßen zu ziehen. Da er das nicht konnte, schnitt er die Schuhe ab, und man sah Kathelines Füße rot und blutig. Der Schöffe, der noch an seine Mahlzeit dachte, sah sie an, ohne ein Wort laut werden zu lassen, aber bald erwachten ihre Sinne wieder, sie stürzte zur Erde und konnte sich trotz aller Anstrengungen nicht wieder erheben, dann sagte sie zum Schöffen: »Du wolltest mich einst zur Frau haben, jetzt kannst du mich nicht mehr bekommen. Vier mal drei, das ist die heilige Zahl, und der Dreizehnte ist der Angetraute.«

Als dann der Schöffe reden wollte, sagte sie: »Bleib still, er hat ein feineres Gehör als der Erzengel im Himmel, der die Herzschläge der Gerechten zählt. – Warum kommst du so spät? Vier mal drei ist die heilige Zahl – er tötet alle, die nach mir verlangen.«

Der Schöffe sagte: »Sie empfängt den Teufel in ihrem Bett.« »Sie ist durch den Schmerz der Folter toll geworden«, sagte der Gerichtsschreiber. Katheline wurde ins Gefängnis zurückgebracht. Drei Tage später versammelte sich die Schöffenkammer in der Vierschare, und Katheline wurde nach der Beratung zur Feuerstrafe verurteilt. Sie wurde vom Henker und seinen Gehilfen auf den Großen Markt von Damme gebracht, wo ein Scheiterhaufen errichtet war, den sie besteigen mußte. Der Profos, der Herold und die Richter hatten sich auf dem Platz eingefunden. Die Trompeten des Stadtherolds erklangen dreimal, dann wandte er sich zum Volk und sprach:

»Der Magistrat von Damme, erfüllt von Mitleid für die Frau Katheline, wollte nicht, daß sie die Strafe in der höchsten Strenge des Gesetzes der Stadt erleide; aber zum Zeugnis dessen, daß sie eine Hexe ist, werden ihr die Haare verbrannt werden, und sie wird als Buße zwanzig Carolusgulden in Gold zahlen und für drei Jahre aus dem Bereich von Damme verbannt sein, bei Strafe des Verlustes eines Gliedes.«

Und das Volk zollte dieser harten Gnade Beifall. Der Henker band Katheline an den Pfahl, setzte ihr eine Perücke von Werg auf den kahl geschorenen Kopf und steckte sie in Brand. Und die Perücke brannte lange, und Katheline schrie und weinte. Dann wurde sie losgebunden und, weil ihre Füße verbrannt waren, auf einem Karren aus dem Gebiet von Damme gebracht.


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