[...] »Ekkehard!« sprach sie, »Ihr sollt nicht vom Tod sprechen. Das ist Wahnsinn. Wir leben, Ihr und ich ...«
Er bewegte sich nicht. Da legte sich ihre Hand leicht über das fieberheiße Haupt. Es strömte und flutete durch sein Gehirn. Er sprang auf.
»Ihr habt recht!« rief er, »wir leben. Ihr und ich!« Tanzende Nacht legte sich um seinen Blick; er tat einen Schritt vor, seine Arme schlangen sich um das stolze Frauenbild, wütend preßte er sie an sich, sein Kuß flammte auf ihre Lippen, ungehört verklang der Widerspruch.
Er hob sie hoch gegen den Altar, als wäre sie ein Weihgeschenk, das er darbringen wollte: »Was hältst du die goldglänzenden Finger so ruhig und segnest uns nicht?« rief er zum düster ernsten Mosaikbild hinauf ...
Die Herzogin war zusammengeschrocken wie ein wundes Reh; – ein Augenblick, da ballte und bäumte sich alles in ihr von gekränktem Stolz; sie stieß den Rasenden mit starker Hand vor die Stirn und entstrickte sich seinem Arm.
Noch hielt er ihre Hüfte umschlungen, da tat sich die Pforte der Kirche auf; ein greller Strahl Tageslicht drang ins Düster – sie waren nicht mehr allein.
[367] Rudimann, der Kellermeister von Reichenau, trat über die Schwelle, Gestalten erschienen im Grunde des Burghofs.
Die Herzogin war entfärbt in Scham und Zorn, eine Flechte ihres dunkeln Haupthaars wallte aufgelöst über den Nacken.
»Entschuldigt«, sprach der Mann von Reichenau mit grinsend höflichem Ausdruck, »meine Augen haben nichts geschaut!«
Da rang Frau Hadwig sich von Ekkehard los. »Doch – und doch – und doch! Einen Wahnsinnigen habt Ihr geschaut, der sich und Gott vergessen ... Es wär' mir leid um Eure Augen, ich müßte sie ausstechen lassen, wenn sie nichts erschaut ...«
Es war eine unsäglich kalte Hoheit, mit der sie's dem Betroffenen entgegenrief.
Da erklärte sich Rudimann den seltsamen Vorgang.
»Ich habe vergessen«, sprach er mit Hohn, »daß dort einer von denen steht, auf die weise Männer das Wort des heiligen Hieronymus gezogen: ›Ihr Gebaren ziemt sich mehr für einen Stutzer und Bräutigam denn für einen Geweihten des Herrn.‹«
Ekkehard stand an eine Säule gelehnt, die Arme in die Luft erhoben wie Odysseus, da er den Schatten seiner Mutter umfahen wollte; Rudimanns Wort riß ihn aus dem Fiebertraum. »Wer tritt zwischen mich und sie?« rief er drohend. Aber Rudimann klopfte ihm mit unverschämter Vertraulichkeit auf die Schulter: »Beruhigt Euch, guter Freund, wir haben nur ein Brieflein an Euch abzugeben, der heilige Gallus kann seinen weisesten Schüler nicht länger draußen lassen in der wankenden, schwankenden Welt, Ihr seid heimgerufen! – Vergeßt den Stock nicht, mit dem Ihr die Mitbrüder mißhandelt, die im Herbst gern einen Kuß pflücken, keuscher Sittenrichter!« flüsterte er ihm ins Ohr.
Ekkehard trat zurück. Sehnsucht, Wut der Trennung, glühend Verlangen und daraufgegossener Hohn stürmten in ihm; er rannte auf Frau Hadwig, aber schon füllte sich die Kapelle. Der Abt von Reichenau war selber gekommen, [368] die Freude von Ekkehards Heimrufung zu erleben. »Es wird schwer halten, daß wir ihn losbekommen«, hatte er zum Kellermeister gesagt. Es ward leicht. Mönche und Gefolgsleute traten mit ein.
»Sacrilegium!« rief ihnen Rudimann entgegen, »er hat vor dem Altar die buhlerische Hand zu seiner Gebieterin erhoben!«
Da schäumte Ekkehard auf. Der Herzens heiligst Geheimnis von frecher Roheit entweiht, eine Perle vor die Schweine geworfen ... er riß die ewige Lampe herunter, wie eine Schleuder schwang er das eherne Gefäß; das Licht darin erlosch – ein dumpfer Schrei hallte auf, der Kellermeister lag blutigen Hauptes auf den Steinplatten, die Lampe klirrte neben ihm ... Ringen, Zerren, wilde Verwirrung ... es ging mit Ekkehard zu Ende.
(Scheffel: Ekkehard, 21. Kapitel)
Ein Sohn seiner Zeit
vor 1 Tag
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