1893 begann Raabe Die Akten des Vogelsangs, die Geschichte von der Multimillionärin Helene Mungo, die am Ende ihres Lebens als höchsten Besitz ansieht, dass Velten Andres ihr vergeben hat, dass sie sich für das Geld entschieden hat und nicht für ihn.
Emilie Fontane, geborene Rouanet-Kummer, zog Raabes Romane denen ihres Mannes vor. Deren unschätzbarer Vorteil war, dass sie sie nicht abzuschreiben brauchte.
Aber Raabe zeichnet auch eine Welt, wo wenigstens manche Menschen seelische Werte höher schätzen als Besitz, Stand und Ehre. Frau Jenny Treibel, Corinna Schmidt, Schach von Wuthenow und Baron von Instetten denken anders. Fontanes Realismus ist zwar poetisch, doch seine Heldinnen und Helden oft grausam normal. Davon unterscheiden sich Raabes sehr menschliche Außenseiter. Die Ähnlichkeit der weiblichen Hauptfigur und die Konstanz, mit der sich Verse durch den Roman hindurch ziehen und das Gegenteil von dem aussagen, was die weibliche Hauptperson fühlt, legen es nahe, anzunehmen, dass Raabe seinen Roman als Gegenbild zu Frau Jenny Treibel konzipiert hat.
Übrigens heißt Leutnant Vogelsang auch der merkwürdige Wahlhelfer, mit dem der Kommerzienrat Treibel seine Ambitionen auf ein Reichstagsmandat zu erfüllen hofft.
Sei gefühllos!
Ein leichtbewegtes Herz
Ist ein elend Gut
Auf der wankenden Erde
(Goethe an Behrisch in "Akten des Vogelsangs")
»Glück, von deinen tausend Losen
Eines nur erwähl ich mir,
Was soll Gold? Ich liebe Rosen
Und der Blumen schlichte Zier.
Und ich höre Waldesrauschen,
Und ich seh ein flatternd Band –
Aug in Auge Blicke tauschen,
Und ein Kuß auf deine Hand.
Geben nehmen, nehmen geben,
Und dein Haar umspielt der Wind,
Ach, nur das, nur das ist Leben,
Wo sich Herz zum Herzen findt.«
(Fontane: Frau Jenny Treibel, 4. Kapitel)
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