Scheffels Ekkehard, der noch zu Lebzeiten des Dichters 86 Auflagen erlebte, hat laut Friedrich Panzer eine Verbreitung gefunden, "wie kein anderer Roman des 19. Jahrhunderts sie genossen hat". Auch wenn das Wort allenfalls für die deutschen historischen Romane gelten sollte, immerhin beachtenswert genug.
"Das ist das Bedeutende am Ekkehard", daß er uns zu dramatischer, ja tragischer Höhe gesteigerte Menschenschicksale vorführt, die unsere Herzen bewegen und erschüttern." (Alfred Biese, 1912)
Der historische Ekkehard wurde um 973 von Hadwig, Witwe von Herzog Burchard III. von Schwaben, auf den Hohentwiel berufen, um sie in Latein zu unterrichten. Hadwig ebnete Ekkehard später den Weg an den kaiserlichen Hof als Kaplan ihres Onkels Ottos I. Zuletzt war er Dompropst in Mainz. (sieh: Wikipedia zu Ekkehard II.) Scheffel schreibt seinem Ekkehard freilich auch die Dichtung des Walthari-Liedes zu, das nach heutigem Forschungsstand allenfalls von Ekkehard IV. stammen kann, aus dessen Casus Sancti Galli wir unsere Informationen über Ekkehard II. beziehen.
Scheffel fügt seinerseits eine gereimte deutsche Fassung des Walthari-Liedes in seinen Roman ein.
Text des Romans bei zeno.org
Es war vor beinahe tausend Jahren. Die Welt wußte weder von Schießpulver noch von Buchdruckerkunst.
Über dem Hegau lag ein trüber, bleischwerer Himmel, doch war von der Finsternis, die bekanntlich über dem ganzen Mittelalter lastete, im einzelnen nichts wahrzunehmen. Vom Bodensee her wogten die Nebel übers Ries und verdeckten Land und Leute. [...]
Zur Zeit, da unsere Geschichte anhebt, trug der hohe Twiel schon Turm und Mauern, eine feste Burg. Dort hatte Herr Burkhard gehaust, der Herzog in Schwaben. Er war ein fester Degen gewesen und hatte manchen Kriegszug getan; die Feinde des Kaisers waren auch die seinen, und dabei gab es immer Arbeit: wenn's in Welschland ruhig war, fingen oben die Normänner an, und wenn die geworfen waren, kam etwann der Ungar geritten, oder es war einmal ein Bischof übermütig oder ein Grafe widerspenstig, – so war Herr Burkhard zeitlebens mehr im Sattel als im Lehnstuhl gesessen. Demgemäß ist erklärlich, daß er sich keinen sanften Leumund geschaffen.
In Schwaben sprachen sie, er habe die Herrschaft geführt, sozusagen als ein Zwingherr, und im fernen Sachsen schrieben die Mönche in ihre Chroniken, er sei ein kaum zu ertragender Kriegsmann gewesen.
Bevor Herr Burkhard zu seinen Vätern versammelt ward, hatte er sich noch ein Ehgemahl erlesen. Das war die junge Frau Hadwig, Tochter des Herzogs in Bayern. Aber in das Abendrot eines Lebens, das zur Neige geht, mag der Morgenstern nicht freudig scheinen. Das hat seinen natürlichen Grund. Darum hatte Frau Hadwig den alten Herzog in Schwaben genommen ihrem Vater zu Gefallen, hatte ihn auch gehegt und gepflegt, wie es einem grauen Haupt zukam, aber wie der Alte zu sterben ging, hat ihr der Kummer das Herz nicht gebrochen.
Da begrub sie ihn in der Gruft seiner Väter und ließ ihm von grauem Sandstein ein Grabmal setzen und stiftete eine ewige Lampe über das Grab; kam auch noch etliche Male zum Beten herunter, aber nicht allzuoft.
Dann saß Frau Hadwig allein auf der Burg Hohentwiel; es waren ihr die Erbgüter des Hauses und mannigfalt Befugnis, im Land zu schalten und zu walten, verblieben, sowie die Schutzvogtei über das Hochstift Konstanz und die Klöster um den See, und hatte ihr der Kaiser gebrieft und gesiegelt zugesagt, daß sie als Reichsverweserin in Schwaben gebieten solle, solange der Witwenstuhl unverrückt bleibe. [...]
Scheffels Fassung des Walthari-Liedes bei zeno.org
Das war der König Etzel im fröhlichen Hunnenreich,
Der ließ das Heerhorn blasen: »Ihr Mannen, rüstet euch!
Wohlauf zu Roß, zu Felde, nach Franken geht der Zug,
Wir machen zu Worms am Rheine uneingeladen Besuch!«
Der Frankenkönig Gibich saß dort auf hohem Thron,
Sein Herze wollt' sich freuen, ihm war geboren ein Sohn,
Da kam unfrohe Kunde gerauscht an Gibichs Ohr:
Es wälzt ein Schwarm von Feinden sich von der Donau vor,
Es steht auf fränkischer Erde der Hunnen reisig Heer,
Zahllos wie Stern' am Himmel, zahllos wie Sand am Meer.
Da blaßten Gibichs Wangen. Die Seinen rief er bei
Und pflog mit ihnen Rates, was zu beginnen sei.
Da stimmten all' die Mannen: »Ein Bündnis nur uns frommt,
Wir müssen Handschlag zollen dem Hunnen, wenn er kommt;
Wir müssen Geiseln stellen und zahlen den Königszins,
Des freuen wir noch immer uns größeren Gewinns,
Als daß, ungleiche Kämpfer, wir Land zugleich und Leben
Und Weib und Kind und alles dem Feind zu Handen geben.«
Des Königs Söhnlein Gunther war noch zu schwach und klein,
Noch lag's an Mutterbrüsten, das mocht' nicht Geisel sein;
Doch war des Königs Vetter, Herr Hagen hochgemut
Von Trojer Heldenstamme, ein adlig junges Blut.
Sie richteten viel Schätze und fassen drauf den Schluß,
Daß der als Pfand des Friedens zu Etzel ziehen muß.
Zur Zeit als dies geschah, da trug mit fester Hand
Den Szepter König Herrich in der Burgunden Land.
Ihm wuchs die einzige Tochter, benamst jung Hildegund,
Die war der Mägdlein schönstes im weiten Reich Burgund.
Die sollt' als Erbin einst, dem Volk zu Nutz und Segen,
So Gott es fügen wollt', der alten Herrschaft pflegen.
Derweil nun mit den Franken der Friede gefestigt war,
So rückt' auf Herrichs Grenzmark der Hunnen kampfliche Schar.
Voraus mit flinkem Zügel lenkt' König Etzel sein Roß,
Ihm folgt' im gleichen Schritte der Heeresfürsten Troß.
Von Rosseshuf zerstampft die Erde gab seufzenden Schall,
Die zage Luft durchtönte Schildklirren als Widerhall.
Im Blachfeld funkelte ein eherner Lanzenwald,
Wie wenn die Frührotsonne auf tauige Wiesen strahlt,
Und so ein Berg sich türmte: er wurde überklommen,
Die Saone und die Rhone: es wurde durchgeschwommen.
Zu Chalons saß Fürst Herrich, da rief der Wächter vom Turm:
»Ich seh' von Staub eine Wolke, die Wolke kündet Sturm,
Feind ist ins Land gebrochen, ihr Leute, seht euch vor,
Und wem ein Haus zu eigen, der schließe Tür und Tor!«
Der Franken Unterwerfung, dem Fürsten war sie kund;
Er rief die Lehenträger und sprach mit weisem Mund:
»Die Franken, niemand zweifelt's, sind tapfre Kriegesleute,
Doch mochte keiner dort dem Hunnen stehn zum Streite,
Und wenn die also taten, da werden wir allein
Dem Tode uns zu opfern auch nicht die Narren sein.
Ich hab' ein einzig Kind nur, doch für das Vaterland
Geb' ich es hin, es werde des Friedens Unterpfand.«
Da gingen die Gesandten, barhäuptig, ohne Schwert,
Den Hunnen zu entbieten, was Herrich sie gelehrt.
Höflich empfing sie Etzel, es war das so sein Brauch,
Sprach: »Mehr als Krieg taugt Bündnis, das sag' ich selber auch,
Auch ich bin Mann des Friedens, nur wer sich meiner Macht
Töricht entgegenstemmt, dem wird der Garaus gemacht.
Drum eures Königs Bitte gewähret Etzel gern.«
Da gingen die Gesandten, es kündend ihrem Herrn.
Dem Tor entschritt Fürst Herrich, viel köstliches Gestein
Bracht' er den Hunnen dar, dazu die Tochter sein –
Der Friede ward beschworen, – fahr' wohl, schön Hildegund!
So zog in die Verbannung die Perle von Burgund.
[...]
Betrübt saß König Alpher itzt bei der Hunnen Not:
»O weh mir, daß ich Alter nicht finde Schwertes Tod –
Ein schlechtes Beispiel gaben Burgund und Frankenland,
Itzt muß ich gleiches tun, und ist doch eine Schand'.
Ich muß Gesandte schicken und Friede heischen und Bund,
Und muß den eignen Sprossen als Geisel stellen zur Stund'.«
So sprach der strenge Alpher, und also ward's getan,
Mit Gold belastet traten die Hunnen den Rückzug an,
Sie führten Walthari und Hiltgund und Hagen in sichrer Hut
Und grüßten wildfroh jauchzend die heimische Donauflut.
[...]
Dieser Walthari wird mit Hildegund aus der Gefangenschaft der Hunnen fliehen und sie gegen eine ihm entgegengestellte Übermacht verteidigen.
30 Mai 2012
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